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Angebote des sogenannten Social Web wie Netzwerkplattformen (z. B. SchülerVZ, StudiVZ), Videoplattformen (z. B. YouTube), Instant Messaging-Dienste (z. B. ICQ, MSN) sowie Weblogs und Wikis sind in den Alltag von Jugendlichen wie selbstverständlich integriert. Vor allem für ihr "Beziehungsmanagement" hat es mittlerweile eine überragende Bedeutung. Allerdings kollidiert diese Bedeutung mit wesentlichen Aspekten des Daten- und Nutzerschutzes sowie der Transparenz. Hieraus leitet die Landesanstalt für Medien NRW (LfM) verstärkt Forderungen an die Betreiber solcher Angebote ab. Zentrale Ergebnisse der neuen LfM-Studie "Heranwachsen mit dem Social Web" wurden gestern in Düsseldorf vorgestellt.
Das "Web 2.0" steht danach einerseits für besondere Chancen, die sich daraus ergeben, dass die Internet-Nutzerinnen und -Nutzer nicht nur selbst Inhalte anbieten, sondern auch das Netz für die verschiedensten Formen von Beziehungspflege nutzen können. Andererseits steht es aber auch für besondere Risiken wie problematische Online-Bekanntschaften und die Preisgabe privater Daten, "Cybermobbing" und Hassgruppen. Die LfM-Studie gibt Aufschluss darüber, was Jugendliche und junge Erwachsene über die neuen Kommunikationsmöglichkeiten denken, wie sie im Alltag mit diesen umgehen und welche Unterschiede sich dabei je nach Alter, Geschlecht und sozialem Kontext zeigen. Damit wird eine Grundlage geschaffen für eine sachliche Auseinandersetzung mit diesem wichtigen und heute bereits alltäglichen Bestandteil der Medienlandschaft. Die Studie basiert u. a. auf einer Repräsentativbefragung von insgesamt 650 Jugendlichen.
Wie die Studie zeigt, gehören das Social Web und seine positiven Potentiale inzwischen zum Alltag von Jugendlichen. Allerdings sind auch die spezifischen Risiken des Social Web und insbesondere der Netzwerkplattformen in den Blick zu nehmen. Sie ergeben sich vor allem aus folgenden Umständen: aus problematischen Inhalten, z. B. zu selbstschädigenden Praktiken oder Extremismus; aus der Tatsache, dass sich Nutzer in geschlossenen (privaten) Communities wähnen und dabei die Reichweite der Onlinekommunikation unterschätzen; aus der Unterschätzung der Nachhaltigkeit von Inhalten im Netz, in dem "virtuelle Jugendsünden" lange bestehen bleiben können; aus dem Missbrauch von persönlichen Daten durch Dritte; und nicht zuletzt aus dem erhöhten Zeitaufwand, der bei einem wachsenden Kontaktnetzwerk für die digitale Beziehungspflege aufgewendet werden muss. Gerade dieser Punkt kann zu einem Problem werden, wenn die Online-Aktivitäten nicht mehr im Verhältnis zu Offline-Aktivitäten stehen.
Die meisten Befragten haben bereits in irgendeiner Form Erfahrungen mit Online-Mobbing gemacht entweder in Bezug auf die eigene Person oder z. B. auf Mitschüler. Zumeist bezieht sich diese Erfahrung auf "peinliche" oder "blöde" Fotos, einige wenige Schüler berichten auch von Schüler- oder Lehrerhassgruppen auf ihrer Netzwerkplattform. In Einzelfallanalysen werden z. B. Erfahrungen von Schülern geschildert, die bereits mehrfach massiv gemobbt wurden, auch über riskante Erfahrungen mit Online-Bekanntschaften wird berichtet.
Angesichts der Bedeutung von Social Web-Angeboten für Heranwachsende sowie angesichts der Risiken liegt bei den Anbietern eine erhebliche Verantwortung. Diese wird dadurch verstärkt, dass einige von diesen Angeboten, z. B. SchülerVZ und StudiVZ, enorme Reichweiten erzielen. Die Befunde der Studie bekräftigen die Dringlichkeit, dass die Anbieter den Weg fortsetzen, der mit den jüngsten Verhaltensregeln für Netzwerkplattformen beschritten wurde.
Prof. Dr. Ingrid Paus-Hasebrink (Universität Salzburg) betonte, auch wenn Jugendliche für Risiken sensibilisiert seien, sehen sie sich in einem klassischen Dilemma: "Die Teilnahme z. B. bei SchülerVZ oder StudiVZ, die auf das Pflegen und Knüpfen von Beziehungen zielt, verlangt ein gewisses Maß an Offenheit über die eigene Person, um wiedererkennbar zu sein. Dabei ist vielen nicht wirklich bewusst, dass je nach Profileinstellung nicht nur Freunde, sondern auch ein wesentlich breiteres Publikum Einblick in persönliche Informationen erhält, die zudem im Netz dokumentiert bleiben". Die Unsicherheit auf Seiten der jugendlichen Nutzer resultiere oft auch aus mangelnder Transparenz der Geschäftsbedingungen.
Dr. Jürgen Brautmeier, Stellvertreter des LfM-Direktors, sagte: "Die Anbieter haben die Verantwortung, dem Nutzer größtmögliche Transparenz über die Geschäftsbedingungen und bessere Vorkehrungen zum Datenschutz zu bieten. Zugleich sollte den Nutzern die Entscheidungsfreiheit eingeräumt werden, inwieweit sie ihre Daten dem Anbieter für die Nutzung zu anderen Zwecken, z. B. werblicher Art, zur Verfügung stellen." Weiter sei sicherzustellen, dass beschlossene Verhaltensregeln konsequent und nachvollziehbar umgesetzt werden. Als Beispiele nannte Brautmeier die Voreinstellung von Profilen von Unter-18-Jährigen als "privat" sowie einfache Möglichkeiten für die Nutzer, sich unmittelbar über Inhalte oder regelwidriges Verhalten Anderer im Netz zu beschweren.
Er betonte: "Anbieter und Nutzer müssen sich verstärkt mit der Frage befassen, wie ein respekt- und verantwortungsvoller Umgang im und mit dem Social Web gefördert werden kann. Auch Eltern und Schule kommt eine hohe Bedeutung bei der Stärkung des Bewusstseins von Chancen und Risiken zu. Die Landesmedienanstalten können dabei Hilfestellung bieten." Brautmeier verwies darauf, dass sich Projekte von Landesmedienanstalten wie z. B. Klicksafe (www.klicksafe.de) um Fragen der Internetsicherheit kümmerten. Die LfM finanziere allein in diesem Jahr 460 Elternabende zu diesen Themen.
Zusammenfassung als PDF-Dokument zum downloaden: http://www.lfm-nrw.de/downloads/zusammenfassung_socialweb.pdf
Die Untersuchung, die von der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen (LfM) in Auftrag gegeben wurde, stützt sich auf eine Analyse der wesentlichen Angebotsmerkmale des so genannten Social Web, Gruppendiskussionen und Einzelinterviews mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen sowie eine Repräsentativbefragung unter zwölf- bis 24-jährigen Online-Nutzern in Deutschland. Dem Begriff Social Web werden dabei vor allem Netzwerkplattformen (z. B. SchülerVZ, StudiVZ), Videoplattformen (z. B. YouTube), Instant Messaging-Dienste (z. B. ICQ, MSN) sowie Weblogs und Wikis zugerechnet.
Auftragnehmer: Hans-Bredow-Institut für Medienforschung an der Universität Hamburg Fachbereich Kommunikationswissenschaft der Universität Salzburg
Autoren: Dr. Jan-Hinrik Schmidt, Prof. Dr. Ingrid Paus-Hasebrink, Prof. Dr. Uwe Hasebrink Die Studie wird voraussichtlich im Sommer 2009 als Buch in der Schriftenreihe Medienforschung der LfM erscheinen.