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1 Kongobriefen 2012/2

1.1 Samstag, 4. Februar 2012

Nach dem Frühstück fahren wir los. Heute geht’s zurück nach Bukavu. Unterwegs begegnen uns zuerst recht viele Lastwagen, insgesamt so 8 oder 9, kurz hintereinander, die alle aus Bukavu kommen, vollbepackt mit Gütern des täglichen Bedarfs und obendrauf Menschen jeden Alters, die am Wochenende ihre Familien auf dem Land besuchen oder ihre Produkte auf den Samstagsmärkten in Kaziba oder Luhwinja verkaufen wollen. Uns begegnen dann aber auch immer wieder Kühe, die von 12 oder 13jährigen Cowboys ganz souverän an den Straßenrand getrieben werden, damit der Jeep mit den Muzungus vorbeifahren kann. Ich denke daran, dass gestern Celestin, unser Projektleiter in Mushenyi, erzählte, wie er als kleiner Junge vom Bauernhof auch solch ein Cowboy war und aufpassen musste, dass seine Kühe nicht allzu steile Hänge hochstiegen, wo sie leicht runterfallen konnten – und genau dort wollten sie heute die Bäume pflanzen. Soweit ich das jedenfalls heute Morgen beurteilen kann, macht Cowboysein den Kindern sichtlich Spaß. 

Ganz anders sah das in Nyangezi aus, wo wir nach etwa einer Stunde Rückfahrt die Serpentinen des Ruzizitals runter, ankommen. Dort sind viele traditionelle Ziegeleien tätig, die Ziegelsteine brennen, ähnlich wie man in Meilern Holzkohle herstellt. Doch mittendrin steht jetzt unsere Ziegelpresse und da ist nun eine Ziegelei, die kein Holz zum Brennen mehr braucht und deren Ziegel eine sehr viel bessere Qualität haben. Aber Ziegel müssen auch transportiert werden. Die Kunden sitzen in der Provinzhauptstadt Bukavu. So standen dafür eine Reihe von Lastwagen bereit, die beladen werden mussten. Und was ich dann sah, verschlug mir fast die Sprache: Vor allem Kinder schleppten, eins nach dem anderen die Ziegel herbei. Die jüngsten dürften so um die 7 oder 8 Jahre alt gewesen sein und sie trugen manchmal 10 oder noch mehr Ziegelsteine auf dem Kopf zum Lastwagen, ohne dass auch nur einer runterfiel und die Mädchen hatten ein Stirnband und schleppten die Last damit haltend auf dem Rücken, so wie ihre Mütter die Lasten tragen. Ich hörte, sie seien zu arm um zur Schule zu gehen und arbeiteten jeden Tag hier. Ich muss gestehen, die Gesichter dieser armen Wesen, die solch schwere Lasten tagaus tagein bei glühender Hitze zu tragen hatten, werde ich so schnell nicht vergessen. Natürlich habe ich unseren Leuten eingeschärft, dass wir jetzt nicht eine Stiftung zum Wohle der Jugend gründen können, welche dann die Ziegel unserer Pressen - so wie diese Kinder - zu den Lastwagen schleppen. Bei unserem Projekt müsse Kinderarbeit absolut tabu sein. Die jüngsten Mitarbeiter an der Ziegelpresse sind übrigens 18 Jahre alt – und diese Tätigkeit ist wesentlich angenehmer als dies Schleppen der Ziegelsteine.

Dabei hat der Kongo die meisten völkerrechtlichen Verträge zum Schutze der Jugend unterzeichnet, aber leider kümmert sich der Staat kaum um die Einhaltung dieser Verpflichtungen. An vielen Baustellen ist Kinderarbeit zu sehen und man lässt sie vor allem die Steine schleppen…

Bei der Rückfahrt sahen wir dann aber auch mal etwas ganz anderes, das uns dann in komplettes Erstaunen versetzte: Wir sahen gleich mehrmals unterwegs Männer, die ihren Baby-Nachwuchs auf dem Rücken trugen, so wie dies sonst die Mütter in Afrika handhaben. Das ist wirklich eine kleine Sensation, denn bisher dachten wir, die kongolesischen Männer seien sich für sowas zu schade, hier ihren Frauen zu helfen.

Mittags erreichten wir dann wieder das lärmige, staubige Bukavu mit seinen Tausenden von Menschen; die alle zu Fuß und mit Lasten bepackt, vorzugsweise auf dem Kopf, entweder in die Stadt liefen oder wieder nach Hause aufs Land. Am Straßenrand ein Kleinhändler neben dem anderen sitzend oder stehend. Angeboten wird hier praktisch alles, von der Telefonkarte bis zum Toilettenpapier, Wasserflaschen; Primus, Brot, Maniok, Bananen, Avocado, Schuhe, Bekleidung, auch Nagellack für Frauen, Seife, Kochgeschirr, sogar Möbel usw. usf. Alles im Freien und wenn’s regnet werden schnell große Plastikplanen drueber ausgebreitet. 

Im Quartier angekommen, habe ich allerdings erstmal die Dusche über mich regnen lassen. Nach einer Woche auf dem Land war dies bitter nötig. 

Am Nachmittag kam dann noch der deutsche Pater C. mit einer Besucherin aus der Heimat vorbei und wir tranken zusammen Tee. Pater C. leitet die hiesige kirchliche Druckerei und wir kennen uns schon seit Jahren. Er lebt schon gut 40 Jahre im Kongo und spricht die lokalen Sprachen Mashi und Kisuaheli. Seine Verbindung zur Heimat hielt er bisher auch über die „Deutsche Welle“ aufrecht; deren Nachrichten er regelmässig über Kurzwelle empfangen konnte. Aber jetzt ist er gar nicht gut auf die „Deutsche Welle“ zu sprechen, denn man hat die Kurzwellensendungen zugunsten des Internets schlicht eingestampft. Als ob man im afrikanischen Busch, wohin doch gesendet werden solle, überall Internet habe. Die Leute bei der „Deutschen Welle“ seien ganz realitätsfern, so Pater C. Jetzt muss er BBC oder Radio France International hören, um Nachrichten aus Europa zu bekommen, die etwas näher an den Bedürfnissen ihren afrikanischen Hörer geblieben sind.


Geändert am 19.03.2012 10:13 von Jugendserver Niedersachsen

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