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20.Februar.2012 │ Lernen -Helfen -Leben e.V.

9. Kongobrief - von Bäumen, Vernetzung und einer besonderen Schule

An diesem Donnerstag bekomme ich einige Sachen schneller erledigt als geplant. So habe ich etwas Zeit für einen kleinen Spaziergang und gehe zur nahen Kathedrale – und staune.


Donnerstag,  16. Februar 2012

Rundrum stehen schon teilweise Meter hohe Bäume, die ganz klar von Pater Michel und seinen Studenten gepflanzt wurden, zu erkennen an den weiß gestrichenen Steinen rundrum gegen das Autoparken, das sonntags sicherlich auch um die Kathedrale herum ein Problem ist. Diese Bäume sehen sehr schön aus mit ihren ausladenden Ästen, unter denen junge Leute im Schatten sitzen und lesen. Etwas weiter sind eigentlich die Maertyrergraeber. In den Kriegsjahren und davor sind gleich vier Bischöfe Bukavus ermordet worden oder jedenfalls nicht eines natürlichen Todes gestorben. Darunter einer bei der Eroberung Bukavus durch die Ruander 1996. Aber wo sind die Gräber heute? Dort, wo ich sie zu finden dachte, eine Plane wie auf den Baustellen. Später höre ich; für sie werde dort ein Mausoleum gebaut. Nun ja, das ist vermutlich angemessen, aber die schlichten Gräber von einst waren eigentlich auch beeindruckend. 

Ich setze mich unter einen der Bäume auf einen Stein – und beginne SMS zu beantworten. Ihr werdet kaum glauben, aber in Deutschland habe ich vorher fast nie SMS geschrieben, ich wusste als Technikmuffel überhaupt nicht wie das richtig funktioniert. Aber hier wird fast alles, vor allem die Termine, per SMS geregelt und das ist billig und eine große Hilfe. Jeden Tag gehen Dutzende SMS hin und her – und dann sind die Verabredungen getroffen, ob mit dem Vizegouverneur oder mit Chris, unserem Fahrer. Das System funktioniert sogar besser als das Sprachnetz, das immer wieder Ausfälle hat: „keine Verbindung“. Was ich alles in Afrika noch lerne.

Noch was Unglaubliches in diesem Zusammenhang. Inzwischen werdet Ihr Euch nicht wundern, dass ich solch ein altmodischer Mensch bin, der eigentlich meinte, einen Computer nicht nötig zu haben. Und ich hätte auch noch keinen Computer, wenn da nicht diese Afrikaner gewesen wären, die dann an gemeinsame Freunde Emails für mich sandten, die diese mir dann per Post innerhalb Deutschlands zuschicken mussten (oder per Postkutsche). Eines Tages kamen afrikanische Mitglieder von Dialog International, die LHL-Partnerorganisation, an und sagten, das gehe so nicht mehr weiter und stellten mir einen Computer hin. Ja, und dann war’s passiert. Immerhin bin ich froh, hier im Kongo feststellen zu können, dass ich noch nicht computersüchtig bin, wenn ich höchstens einmal am Tag kurz oder gar einmal in der Woche auf den Bildschirm schauen kann. Aber damit wollte ich eigentlich nur sagen, dass auch in der Entwicklungshilfe ¾ der Arbeit am Bildschirm erledigt werden muss.

Aber noch sitze ich unter dem Baum bei der Kathedrale und mein „Büro“ im Mobiltelephon arbeitet. Vorige Woche haben wir uns über Chris lustig gemacht, dessen „Büro“ immer pünktlich nach dem Abendessen zu arbeiten begann. Dazu hat dies auch noch einen klagenden, nein, weinerlichen Klingelton. Wir haben uns dann jedesmal fast gekringelt vor Lachen, wenn dies losging. 

Ich laufe rüber zur Kathedrale. Da steht eine Mutter mit ihrem vielleicht dreijährigen Sohn, der mich ungehemmt anstaunt. In der großen, schlichten Kathedrale übt der Chor neue Lieder und auch die Mutter kommt rein und setzt ihren Filius genau neben mich und er staunt weiter über den Muzungu. Wir lächeln uns zu und er verkriecht sich im Gewand von Mama. Dann sage ich „Au revoir“, weil ich zum Mittagstisch muss. 

Nachmittags holen mich Flavien und Antonios ab. Wir fahren mit einem Taxi an den Stadtrand durch Essence und Panzi zum Neubau „unserer“ Schule „Tunza la Mayatima“. Das nagelneue Gebäude steht in einem Tal, umgeben von Bananenhainen. Trotz Finanzierunghilfe durch das deutsche Entwicklungsministerium hat das Geld leider nicht ausgereicht. Fussboden und Fenster sind noch nicht installiert und auch die große Latrine ist erst zur Hälfte fertig. Aber viele Kongolesen leben in solchen Provisorien und warum nicht unsere Schule? Diese schon seit Oktober letzten Jahres. Trotzdem sind alle hochzufrieden, weil auch dieses Provisorium sehr viel komfortabler ist als die alte Baracken- und Zeltschule. Da außerdem die Einkünfte der Ziegelei in Nyangezi der Schule zugute kommen sollen, machen wir uns auch nicht allzu viele Sorgen deswegen. Und die allerschönsten Bodenplatten werden jetzt da in Nyangezi hergestellt. So wird sich das Warten lohnen.

Auf uns warten ungefähr 50 Eltern bzw. Pflegeeltern der Kinder, die teilweise Waisenkinder sind, außerdem zahlreiche ehemalige Kindersoldaten, welche durch die Schule noch eine Ausbildung bekamen, nämlich als Schreiner. Das war auf dem alten Gelände. Sie identifizieren sich mit der Schule und haben oft beim Bau freiwillig mitgeholfen. 

Hier muss ich jetzt eine Rede halten und erinnere an die schwierigen Umstände früherer Jahre, die ich alle gesehen hatte. Die Schule begann mit über 100 Kindern auf höchstens 40 qm. Ich danke allen, die freiwillig mitgeholfen haben, die Steine schleppten, Ausschachtungsarbeiten erledigten usw. Das ist die lokale Eigenbeteiligung, die 15 % zu den Kosten beigetragen hatte. Jetzt, sage ich, ist das Eure Schule und sobald wie möglich wollen wir hier auch Kurse und Seminare für ältere Schüler und abends, sobald elektrisches Licht da ist, auch für Erwachsene anbieten. Dann verteile ich noch Exemplare des Kalenders von Dialog International für 2012, der Photos vom Schulneubau enthält. Glücklicherweise habe ich genügend Drucke dabei. Jetzt haben alle einen deutschen Kalender und können sogar sehen, wann die deutschen Kinder Schulferien haben. 

Tipp: Übrigens kann sich jeder diesen Kalender auf der Internetseite www.dialog-international.org runterladen. Im Kongo geht das natürlich nicht so einfach. 

Später sitzen wir mit den Lehrern zusammen. Sie erklären mir wie ihr Schulprogramm im Wesentlichen auf den staatlichen Lehrplänen basiert. Aber, sind wir hier nicht eine Privatschule, frage ich? Welche Spezialitäten könnte denn Tunza la Mayatima anbieten? Wenn sie, die Lehrer, genauso arbeiteten wie tausend andere öffentliche Schulen im Kongo auch, dann müssten wir das doch eigentlich nicht aus Deutschland finanzieren…? Habe ich die Kollegen sprachlos gemacht? Was meint der Muzungu bloß? Der Direktor hat verstanden, denn wir diskutierten diese Fragen schon im vorigen Jahr, aber wegen des Umzugs konnte er bisher nur wenig davon einbringen. So hatte man eigentlich noch nicht darüber nachgedacht. Deshalb betraf die erste Frage den Wunsch vieler, vieler Kongolesen. Computer würden benötigt, denn, so das Argument, im staatlichen Lehrplan stehe schon, die Kinder sollten eine Computerausbildung bekommen. Aha. Rundrum Bananenplantagen, abends Kerzenlicht, das Gebäude hat noch keine richtigen Fenster und jetzt Computerausbildung. Habe das wirklich Vorrang bei den Schülern? Wie viele Schüler könnten sich denn überhaupt die höhere Schule leisten? Und welche Berufe fänden die anderen? Wären sie da auf Computer angewiesen? 

Natürlich nicht. Ich frage, ob denn nicht die Kollegen, jeder für sich spezielles Wissen habe, das vielleicht an Schülergruppen weitergegeben werden könne – und das nicht im Lehrplan stehe? Jetzt war der Groschen gefallen. Klar, habe man das und ein Vorschlag kam nach dem anderen, von Kursen in gesunder Ernährung und Kochen über Gartenbau, Bau von Lorenaöfen usw. Ich bat die Lehrer, in den nächsten Wochen mal ein solches Konzept zu entwickeln und dann wollten wir weitersehen…

Wir fahren mit dem Taxi zurück in die Innenstadt und gehen das letzte Stück zu Fuß und finden schon wieder kleine frisch gepflanzte Bäume der Leute von Pater Michel. Aber dann sehen wir daneben noch was anderes, nämlich wieder diesen einheimischen Baum, hier eher noch ein Strauch, den wir schon in Luhwinja wuchern sahen. Aber diesmal völlig übersät mit Samen, fast so, als wollten sie halb Bukavu mit Samen versorgen. Also sowas, mitten in der Innenstadt. Wie leicht ließe sich daraus etwas gegen die Erosion, die hier allüberall ist, im Vorgarten heranziehen. Henriette hatte gestern am Stadtrand eine Baumschule einer sehr aktiven Gruppen von christlichen Familien besichtigt und dort all die tropischen Bäume, die irgendwann mal aus Australien, Südamerika und werweisswoher nach Afrika eingeführt worden waren, besichtigt. Die Leute lieben diese Exoten und als sie auch am Wegesrand den vorgenannten Baum wuchern sah und darauf hinwies, das dieser hier sehr nützlich sei, hätten alle nur gelacht: Dieser wachse hier doch überall. Ja, genau deshalb, so Henriette, sei dieser doch so nützlich. Ja, das Gute ist oft ganz nah und wie sagt man, vor lauter Bäumen sieht man den Wald nicht. Da gibt’s übrigens noch so einen Baum, der hier nur als Heckenstrauch beliebt ist, um Gärten und Felder abzugrenzen. Überall sieht man diese hier einheimische Pflanze – aber eben nicht als Baum. Dabei, so Henriette, wachse dieser eigentlich zu einem stattlichen Baum heran, der auch nützliches Feuerholz abgebe. 

So ist das in der Welt. Als Fremder sieht man schon mal Dinge, die für die Einheimischen so selbstverständlich sind, das sie diese übersehen.

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