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18.März.2004 │ 

Resolution "Jugendarbeit erhalten und verbessern"

69 Wissenschaftler-innen haben sich mit der Resolution "Jugendarbeit erhalten und verbessern" gegen den vielerorts zu verspürenden finanziellen Kahlschlag in der Jugendarbeit ausgesprochen.


In der Resolution stellen die Unterzeichner-innen fest, dass "Eine sich wechselseitig beschleunigende Konstellation aus umfassenden gesellschaftspolitischen Umbrüchen, anhaltender (jugend)politischer Ratlosigkeit und vorgeblich alternativlosen Spar- und Kürzungszielen (...) auch die bisherige Funktion der Kinder- und Jugendarbeit in beispielloser Weise in Frage" stellt.

 

Dabei sei die Jugendarbeit als eigenständiges Lern- und Erfahrungsfeld keinesfalls verzichtbar. "Die Rahmenbedingungen des Freiraums Kinder- und Jugendarbeit ermöglichen eine emanzipatorische Bildung, die weiter geht als die auf Leistungsabschlüsse orientierte, funktionalisierende Ausbildung an Schule. Selbstbestimmung und demokratische Mitverantwortung können nicht didaktisch-curricular erzeugt oder erzwungen werden. Diese Fähigkeiten können Kinder und Jugendliche entwickeln, wenn ein sozialer und materieller Raum zur Verfügung steht, den sie tatsächlich nach eigenen Interessen selber bestimmen und gestalten können. Nur wenn Freiheit eröffnet wird, kann man lernen mit ihr umzugehen."

 

Durch die Strukturzerschlagung in der Kinder- und Jugendarbeit "wird ein ganzes Arbeitsfeld zukunftsorientierter Lebensbewältigung in großen Anteilen zur Disposition gestellt", stellen die renommierten Wissenschaftler-innen fest.

 

Und hier die Resolution im Wortlaut:

Resolution "Jugendarbeit erhalten und verbessern" Als von den aktuellen Eingriffen nicht direkt betroffene WissenschaftlerInnen, die sich mit Jugendarbeit in Forschung und Lehre, Theorie- und Konzeptentwicklung beschäftigen, kritisieren wir die beginnende Zerstörung der bisherigen Infrastruktur der Jugendarbeit. Wir fordern ihren Erhalt durch Träger und Förderer. Das tun wir, weil wir in der außerschulischen Jugendarbeit weiterhin ein unverzichtbares Lern- und Erfahrungsfeld für Kinder und Jugendliche erkennen. Das Kinder- und Jugendhilfegesetz (§ 11) gibt Kindern und Jugendlichen das Recht auf einen von ihnen gestaltbaren Freiraum, der sich ganz den Interessen der Kinder und Jugendlichen und ihrer Selbstbildung widmet. Jugendarbeit ist ein Lernfeld, das Jugendlichen die Möglichkeit gibt, die Chancen demokratischer Gestaltung zu erfahren. Vielfältige Forschungen zeigen, dass Kinder und Jugendliche das Angebot der Jugendarbeit vielfach als ein nicht fremdbestimmtes Lern- und Handlungsfeld nutzen und es sehr schätzen. Die (offene) Kinder- und Jugendarbeit steht derzeit vor Herausforderungen bislang ungekannten Ausmaßes, die sich kaum mehr mit einer Zuordnung zu einer periodisch wiederkehrenden Krise decken lassen. Eine sich wechselseitig beschleunigende Konstellation aus umfassenden gesellschaftspolitischen Umbrüchen, anhaltender (jugend)politischer Ratlosigkeit und vorgeblich alternativlosen Spar- und Kürzungszielen stellt auch die bisherige Funktion der Kinder- und Jugendarbeit in beispielloser Weise in Frage. Hatte die Jugendarbeit sich jahrelang Klagen über - von statistischen Daten nicht zu belegende - Kürzungen hingegeben, so ist tatsächlich seit 2002 - und verstärkt aktuell - ein massiver Abbau von Fördermitteln, Stellen und Einrichtungen zu beobachten. Hinzu kommt der Trend, Einrichtungen und Dienste der Offenen Kinder- und Jugendarbeit den Schulen zu unterstellen und damit den eigenständigen Charakter und die besonderen pädagogischen Chancen außerschulischer Bildung aufzuheben. Die von Schule häufig vorgegebenen Aufgaben von Betreuung, Sozialarbeit, Lernhilfe und sozialer Kontrolle sind nicht mehr Jugendarbeit im Sinne des Kinder- und Jugendhilfegesetzes.

 

Jugendarbeit als eigenständiges Lern- und Erfahrungsfeld ist keineswegs verzichtbar. Die anhaltenden gesellschaftlichen Krisen und Modernisierungsrisiken setzen Lernprozesse im Umgang mit Pluralität, Komplexität und Ungewissheit auf die Tagesordnung. Angesichts vielfacher Unwägbarkeiten, Ungewissheiten und Risiken der Lebensführung bedarf es in besonderem Maße hierfür angemessener Orte und Professionen, in denen Jugendliche ihre individuellen biografischen Optionen austesten können. Hierfür steht die Jugendarbeit als expliziter außerschulischer Lern- und Bildungsort. Festzustellen ist aber, dass - entgegen aller Bildungs- und Zukunftsrhetorik - gerade die für Jugendliche ausgewiesenen Bildungsorte Schule, Hochschule, berufliche Bildung und Jugendarbeit zunehmend auf die Funktion reduziert werden, vermeintlich arbeitsmarktrelevante Kompetenzen zu produzieren. Prozesse der umfassenden Persönlichkeitsbildung, die Zeit und Ruhe benötigen, scheinen als überflüssiger Luxus zu gelten. Festzustellen ist auch, dass die numerische Anzahl Jugendlicher in den nächsten Jahren noch anwächst, während die hierzu dringend erforderlichen Begleit- und Unterstützungsstrukturen dem entgegen abgebaut werden. Festzustellen ist zudem, dass eine Jugendpolitik, die diesen Namen verdient, derzeit weder auf Bundes-, Landes- noch auf kommunaler Ebene vorzufinden ist.

 

Das für die Jugendarbeit grundlegende Verständnis von Bildung als Selbstbildung in offenen Prozessen ist eine unverzichtbare Antwort auf die derzeitigen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Jugendarbeit versteht Bildung als ein Reservoir von Möglichkeiten und Potenzialen - und nicht als Kanon ein für allemal festgelegter Fähigkeiten und Fertigkeiten. Denn eine solche Festlegung bedeutete, dass lediglich auf bekannte Anforderungen mit bekannten Lösungen reagiert und damit verhindert bzw. verunmöglicht würde, dass auf offene, jetzt noch nicht klar konturierte Themen mit offenen Auseinandersetzungen, probendem Experimentieren und reflektiertem Einlassen reagiert würde. Die Rahmenbedingungen des Freiraums Kinder- und Jugendarbeit ermöglichen eine emanzipatorische Bildung, die weiter geht als die auf Leistungsabschlüsse orientierte, funktionalisierende Ausbildung an Schule.

 

Selbstbestimmung und demokratische Mitverantwortung können nicht didaktisch-curricular erzeugt oder erzwungen werden. Diese Fähigkeiten können Kinder und Jugendliche entwickeln, wenn ein sozialer und materieller Raum zur Verfügung steht, den sie tatsächlich nach eigenen Interessen selber bestimmen und gestalten können. Nur wenn Freiheit eröffnet wird, kann man lernen mit ihr umzugehen. Jugendarbeit hat große Potenziale als pädagogisch begleiteter, wo nötig schützender und verteidigender Erfahrungsraum zwischen gesellschaftlichen Anforderungen und der Entwicklung des Eigenen zu vermitteln. Kinder- und Jugendarbeit hat in den vergangenen Jahren diese Potenziale nicht zureichend ausgeschöpft und die schwierige Aufgabe "in Freiheit zur Freiheit" zu bilden, zu wenig genutzt. Wir erkennen aber, dass selbst wenn die - auch von uns formulierten - konzeptionellen Ansprüche an Kinder- und Jugendarbeit nicht optimal umgesetzt wurden, die Kinder- und Jugendlichen selber die Angebote der Jugendarbeit doch sehr positiv bewerten und für sich und ihre Entwicklung nutzen. Sie schätzen Jugendarbeit als ein Lernfeld, in dem ihre Interessen aufgegriffen werden, in dem sie in ihrer Eigenständigkeit und mit ihren Fähigkeiten anerkannt und unterstützt werden, in dem sie lernen, selbstbestimmt Verantwortung zu übernehmen; in dem sie üben, mit Unterschieden konstruktiv umzugehen und Konflikte zu bewältigen.

 

Besonders für gesellschaftlich marginalisierte Kinder und Jugendliche ist Jugendarbeit eine wichtige Ressource und Förderung. In der Jugendarbeit werden sie nicht als defizitäre Problemgruppen sozialtechnisch bearbeitet, diszipliniert und befriedet. Statt dessen vermittelt Jugendarbeit ihnen Anerkennung und entdeckt ihre Mündigkeitspotenziale und Stärken, die gerade mit dieser positiven Unterstellung gefördert werden können. In dem Maße, wie nunmehr kurzatmig Strukturen der Kinder- und Jugendarbeit zerschlagen werden, wird ein ganzes Arbeitsfeld zukunftsorientierter Lebensbewältigung in großen Anteilen zur Disposition gestellt. Zugleich werden damit in fahrlässiger Weise strukturell genau die Probleme befördert, die hernach anhand öffentlichkeitswirksam und medienhysterisch aufbereiteter Einzelfälle - die sich keineswegs zufällig um die Institution Schule zentrieren - zum Anlass für ebenso panikartige Aktionismen genommen.

 

Vor dieser Sachlage ist den pädagogisch, wissenschaftlich und politisch für Jugendarbeit Verantwortlichen zu empfehlen, folgende Anforderungen anzuerkennen:

1. Jugendliche benötigen verlässliche und stabile Angebote der Jugendarbeit, die durch Aktionsprogramme nicht ersetzt werden können.

2. Wichtig ist eine Jugendarbeit, die sich konsequent als "Bildungspraxis" und "Hilfe zur Lebensbewältigung" versteht. Dies gilt insbesondere in den vielfach sich abzeichnenden Kooperationen mit Schule. Sie machen nur Sinn, wenn Jugendarbeit ihren spezifischen Charakter und ihre institutionelle Eigenständigkeit behält und in Distanz und Differenz, eng an den Interessen der Kinder und Jugendlichen für diese jugendarbeiterische Bildung und Lebensbewältigung selbst an Schule eröffnen könnte.

3. Jugendarbeit selber muss besser werden, um solche Bedarfe und Bildungschancen optimal aufzugreifen. Dazu muss die Infrastruktur der Jugendarbeitseinrichtungen und Angebote für Kinder und Jugendliche im Prinzip erhalten werden. Jugendarbeit muss sich aber selbst auch mit den wandelnden Bedürfnissen und Lebenssituationen ihrer AdressatInnen verändern. Kinder- und Jugendarbeit kann nicht so bleiben wie sie ist, aber sie muss bleiben.

4. Wünschenswert ist die Überwindung institutioneller und verbandlicher Eigeninteressen zugunsten einer übergreifenden strategischen Solidarität, die nicht durch einzelne Finanzanreize auseinander zu dividieren sein dürfte.

5. Zu leisten wäre schließlich eine reflektierte "Re-Politisierung" der Jugendarbeit angesichts der Tatsache, dass auch noch so gutes fachliches Handeln allein keineswegs davor schützt, allfälligen "Sparzwängen" jählings "geopfert" zu werden. Entgegen der Professionsmaxime "Wissen, was man tut" käme es nunmehr darauf an, auch zu tun, was man weiß.

 

UnterzeichnerInnen:

Dipl. Päd. Andreas Belle, Uni Bielefeld; Prof. Dr. Christian Bernzen, KFH Norddeutschland; Bärbel Bimschas, FH Darmstadt; Anne Blezinger, Uni Göttingen; Dipl. Rel. päd. Mike Breitbart, EFH Darmstadt; Prof. Dr. Anna Dorothea Brockmann, Uni Bremen; Prof. Dr. Ingrid Burdewick, FH Oldenburg/Ostfriesl./Wilhelmsh.; Prof. Dr. Karl August Chassé, FH Jena; Peter Cloos, Uni Kassel; Dr. Thomas Coelen, Uni Bielefeld; Prof. Dr. Heinz Cornel, Alice Salomon-HS Berlin; Dr. Ulrich Deinet, FH Düsseldorf; Dipl.-Päd. Wiebken Düx, Uni Dortmund; Klaus Farin, Archiv der Jugendkulturen Berlin; Wolfgang Fänderl, Uni München; Prof. Dr. Joachim Faulde, KFH NW. Abt. Paderborn; Katrin Fauser M.A., FU Berlin; Prof. Dr. Lutz Finkeldey, FH Hildesheim; Prof. Dr. Josef Freise, KFH NW. Abt. Köln; Prof.Dr. Günter J.Friesenhahn, FH Koblenz; Dipl. Päd. Dieter Frohloff, EFH Bochum; Prof. Dr. Johannes Fromme, Uni Magdeburg; Dipl.-Päd.Julia von der Gathen-Huy, Uni Dortmund; Prof. Dr. Benno Hafeneger, Uni Marburg; Prof. Dr. Franz Hamburger, Uni Mainz; Prof. Dr. Peter Hansbauer, FH Münster; Dr. Wilfried Hellmann, KFH Norddeutschland; Prof. Dr. Hans Günther Homfeldt, Uni Trier ; PD Dr. Caroline Hopf, Uni Erlangen-Nürnberg; Prof. Dr. Christine Huth-Hildebrandt, FH Frankfurt/M; PD Dr. Lena Inowlocki, Uni Frankfurt/M; Fabian Kessl M.A. Uni Bielefeld; Prof. Dr. Rainer Kilb, FH Mannheim; Prof. Dr. Uta Klein, FH Kiel; Prof. Dr. Raingard Knauer, FH Kiel; Dr. Michaela Köttig, Uni Göttingen; Prof. Dr. Franz Josef Krafeld, Hochschule Bremen; Ernst-Uwe Küster, Uni Kassel: Dr. Margitta Kunert-Zier, FH Frankfurt; Prof. Dr. Timm Kunstreich, EFH Hamburg; Dr. Nadia Kutscher, Uni Bielefeld; Dr. Werner Lindner, FH Jena; Ulrike Loch, Uni-Kassel; Prof. Dr. Kurt Möller,Hochschule für Sozialwesen Esslingen; Dipl.-Päd. Heinz Müller, Institut für Sozialpädagogische Forschung Mainz (ism); Prof. Dr. Bruno W. Nikles, Uni Duisburg-Essen; Prof. Dr. Frank Nieslony, EFH Darmstadt; Annette Ortlieb, BPJM; Prof. Dr. Hilmar Peter, Uni Bielefeld; Prof. Dr. Rolf Pfeiffer, EFH Reutlingen-Ludwigsburg; Prof. Dr. Uwe Rabe, FH Münster; Dr. Christian Reutlinger, TU Dresden; Dipl. Päd. Martina Richter, Uni Bielefeld; Prof. .Dr. Heinz A. Ries, Uni Trier; Prof. Dr. Lotte Rose, FH Frankfurt/M.; Erich Sass M.A., Uni Dortmund; Prof. Dr. Albert Scherr, PH Freiburg; Prof. Dr. Stefan Schnurr, FH Aargau: Prof. Dr. Achim Schröder, FH Darmstadt; Dr. Jörgen Schulze-Krüdener, Uni Trier: Prof. Dietmar Seeck, Fachhochschule Oldenburg/Ostfriesl./Wilhelmsh.; Prof. Dr. Uwe Sielert, Uni Kiel; Prof. Dr. Titus Simon, Hochschule Magdeburg-Stendal; Prof. Dr. Hiltrud v. Spiegel, FH Münster; PD Dr. Stephan Sting, TU Dresden; Prof. Dr. Gerd Stüwe, FH Frankfurt/M; Prof. Dr. Benedikt Sturzenhecker, FH Kiel; Prof. Dr. Ute Straub, FH Frankfurt; Susanne Ulrich, Uni München; Dipl. Soz. Arb. Thomas Weber, Hochschule Niederrhein: Prof. Dr. Norbert Wohlfahrt, EFH Rheinland-Westfalen-Lippe; Dr. Holger Ziegler, Uni Bielefeld; Prof. Dr. Dieter Zimmermann, EFH Darmstadt

 

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