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05.Februar.2012 │ Lernen -Helfen -Leben e.V.

3. Kongobrief - einige Tage auf dem Land #UPDATE

Kinderarbeit in traditionellen Ziegeleien bei Nyangezi

Kinderarbeit in traditionellen Ziegeleien bei Nyangezi

Kinderarbeit in traditionellen Ziegeleien bei Nyangezi

Diese Zeilen schreibe ich im Schein einer Kerze. Wir sind in Mushenyi und unser Quartier hat keinen Strom, nur einige wenige Häuser und das Krankenhaus haben Solarpanel.


Mushenyi, 31. Januar 2012

Für die meisten Menschen hier bleiben also die Abende dunkel. Kein Fernsehen, vielleicht noch Radio mit einem Transistorapparat. Und Licht mit einer Kerze oder einer Petroleumlampe. Und solch eine steht auch beim Abendessen auf dem Tisch. Vor dem Essen wird eine Waschschüssel gereicht mit Seife und Handtuch. Jeder wäscht sich die Hände – denn gegessen wird traditionell mit den Händen, nicht mit Messer und Gabel. Heute gabs Oguli, wie Fufu auf Kisuaheli heißt, das Nationalgericht zubereitet aus Maniok- und Maisgries. Dann Amarand- und Kohlgemüse, Reis, Hähnchenfleisch (das Hähnchen lief heute früh noch putzmunter auf dem Hof rum) und zum Nachtisch köstliche Bananen. Dazu für alle „Primus“, das kongolesische Bier, dessen Brauerei in Bukavu im Zuge der Globalsieriung inzwischen vom holländischen Heineken-Konzern einverleibt worden ist.  

Gestern morgen hatte uns Chris bei unserem Quartier abgeholt und wir brauchten über eine Stunde, um überhaupt erstmal aus der Millionenstadt Bukavu rauszukommen – nicht nur, weil die Straßen so schlecht sind, sondern weil überall Verkehrsstau war. Seit ungefähr zwei Jahren hat sich die Zahl der Autos in der Provinzhauptstadt mindestens verdoppelt. Endlich waren wir draußen auf dem Land, hoch oben über dem Ruzizital, fuhren also in südlicher Richtung. Der Wagen rumpelte zunächst entlang von Bananenstauden und Eukalyptusplantagen. Viele Menschen sind zu Fuß unterwegs und tragen Lasten auf ihrem Kopf entweder in die Stadt, dann sind das meist Früchte des Feldes – oder zurück aufs Dorf, dann sind das Gegenstände für den täglichen Bedarf, die man in der Stadt gekauft hat – und zwar mit dem Geld, das man vielleicht mit dem Verkauf der landwirtschaftlichen Produkte, die man auf den Markt trug, eingenommen hat. 

Später ändert sich die Landschaft, wir fahren in ein weites, fruchtbares Tal, das am Ende der Ebene steil hinaufgeht, entsprechend die Straße, die sich in Serpentinen hochwindet, nebenan der Abhang wird steil und steiler und immer tiefer. Man mag gar nicht runterschauen. Ab und zu ein Baum, ansonsten kein Mäuerchen oder gar ein Zaun. Glücklicherweise kommt Chris, unser Fahrer aus Kaziba und kennt jede Kurve und jeden Winkel. Souverän führt er den Wagen die Windungen hinauf und wir müssen nicht fürchten, unten im Tal zu landen. Unterwegs erzählt er uns, von den Älteren wisse man noch, daß früher all die hohen Berge rundrum bewaldet gewesen seien. Der letzte „Aderlass“ der Abholzung seien Millionen ruandische Flüchtlinge gewesen, die 1994 auch in dieses Tal kamen und dann alle mit Holz kochen mußten. Endlich enden die Windungen und wir sind auf einer – sagen wir mal – lieblichen und wieder sehr fruchtbaren Hochebene angelangt und zwar zunächst im Gebiet von Mushenyi, später folgen dann noch Kaziba und Luhwindja. Kein Wunder, daß hier viele Menschen siedeln. 

Bald sind wir auch schon bei den „Hangars“ der neuen Ziegelei angelangt, die gestern ihre Arbeit aufgenommen hat, nachdem vorige Woche die Ausbildung in Burhinyi war. Die Arbeiter haben noch viele Zuschauerinnen und Zuschauer aus der Nachbarschaft, denn solch ein Gerät ist eine Sensation – und dann erst die abgemessenen Ziegel, die das rauskommen. Ob das wirklich alles Männerarbeit ist? Die Frauen fragen Henriette, ob sie denn auch solch eine Arbeit mache – und sie läßt sich sowas nicht zweimal sagen, nimmt den Lehm in ihre Hände und füllt die Formen und betätigt dann die mechanische Ziegelpresse – und kann dann die Begeisterung und den Jubel – nun ja, vor allem der umstehenden Frauen ernten. Vielleicht ist der Bann gebrochen und die Ziegelei muß demnächst auch Frauen für diese Arbeit anstellen. Der Beifall kennt keine Grenzen und deshalb muß alles nochmal wiederholt werden. Jawohl, die deutsche Frau schafft das und ist sich nicht zu schade, die Hände schmutzig zu machen. 

Kurz später kommen wir dann auch in unserem Quartier an, aber die Hausfrau hatte eigentlich erst am nächsten Tag mit uns gerechnet und hat noch nichts zum Abendessen für die hungrigen Gäste vorbereitet. So tröstet sie uns erstmal mit „Primus“ und zaubert dann noch ein köstliches Abendessen auf den Tisch, mit den Resten, die sie noch vorrätig hat. 

Heute morgen gabs dann um ½ 8 Uhr Frühstück, wie überall im Kongo für die Muzungus ein gebackenes Ei un ein paar Mini-Baguettes. Dazu Nescafé, Trockenmilch und Rohrzucker. Danach fahren wir zum Büro unserer Partnerorganisation CDEP, welche die Ziegelei betreibt und auch die Aufforstung leistet. Schon unterwegs treffen wir auf ein paar Kinder und da ist auch Nesco dabei, unser „Gitarrenspieler“ (Reisetagebuch 2011 hier im WIKI, Internationales) vom vorigen Jahr. Wir begrüßen uns und er darf noch mit in den Jeep klettern, wo er dann stolz die letzten Kilometer mit uns zurücklegt. Später erfahre ich, daß er noch drei Geschwister hat, die Mutter aber Witwe ist. Nesco war dann ganz scharf darauf, unsere leeren Plasticflaschen zu bekommen. Wir sahen auch noch,  als er sie seiner Mutter übergab, wie wertvolle Schätze und als ich sie daraufhin persönlich begrüssen wollte, ließ sie alle vor Schreck fallen und kam sofort angelaufen. Sie muß noch sehr jung sein und man sah dem Jungen an, daß sie nur wenig hatten. Die Hose war schon lange aufgerissen, genau dieselbe, die er im vorigen Jahr getragen hatte und dem Hemd fehlten die Knöpfe. Stattdessen hatte er dies kunstfertig mit Grashalmen „zugeknöpft“.

Kurz vorher waren wir wieder vom Gesang des „Waldkindergartens Marafiki wa Mazingira Mushenyi“ begrüßt worden. Auch viele Mitglieder der Partnerorganisation waren zur Begrüssung gekommen und während Henriette, Antonios und einige Baumschulgärtner sich sogleich auf dem Weg zu den Aufforstungsflächen machten, hatte ich Gelegenheit mit ihnen zu sprechen. Wir erläuterten ihnen, weshalb wir gekommen waren und daß wir am Ende der Woche nochmal alle zu einer Versammlung einladen wollten. 

Mittwoch, 1. Februar 2012

Nach dem Frühstück rumpelt unser Jeep wieder über die steinigen Straßen los, diesmal über Kaziba nach Luhwinja und dort in Serpentinen hoch, nochmal atemberaubenden Abhängen entlang bis auf rund 2.200 Meter, um dort einige aufgeforstete Flächen zu begutachten. Zunächst liefen wir duch einen Pinuswald, der durch ein Projekt von Dialog International in Deutschland schon vor über 10 Jahren aufgeforstet werden konnte und jetzt reichlich Schatten spendet, ja, darunter konnte sogar eine Quelle zu einem Brunnen gefasst werden. Später sehen wir uns die neuere Pflanzung an einem Steilhang an, der extrem durch Erosion bedroht ist, wo aber die Pflänzchen gut gedeihen. Weiter oben im Tal ein Wasserfall, unten der Bach und gegenüber sind wir über beträchtliche Erosionsschäden entsetzt. Aber nebenan, etwas weiter höher gabs auch eine solche Stelle, die der benachbarte Bauer – hier oben gibt’s vereinzelte kleine Rundhütten-Höfe – geschickt bepflanzt hatte, auch mit einheimischen Bäumchen. Einer davon war so gut angegangen, dass er sich schon ausgesamt hatte und rundrum im Erosionsloch schon unzählinge Setzlinge zu sehen waren. Wir kamen auf die Idee, einige auszugraben und auf den danebenliegenden kahlen Hang zu pflanzen. Wenn sie angehen, muss nichts aus Baumschulen herbeigeschleppt werden, man braucht nur die Setzlinge von nebenan umzupflanzen. Später sahen wir, daß dieser einheimische Baum noch an vielen Stellen ausgesamt hatte. Diese Keimlinge müssen nur umgepflanzt werden. Auf dem Rückweg fanden wir dann sogar noch ein ganz kleines Stück Urwald in Form eines „heiligen Hains“, den die Bevölkerung nicht antastet. Welche eine gute Idee! Wir durften durch das Dickicht laufen und fühlten uns wie verzaubert, zumal mit einem Mal auch eine reiche Vogelwelt ihr Konzert gab. Wir sahen Pflanzen, die rundrum fast überall verschwunden waren oder nur ganz vereinzelt vorkamen.   

Donnerstag, 2. Februar 2012

Beim Frühstück erzählt Henriette von einer SMS aus Deutschland und so erfahren wir, daß Ihr bei 10 Grad minus (Bildergalerie - Kälte in Deutschland) bibbern müßt. Ich hatte mir dagegen gestern in Luhwinja einen Sonnenbrand geholt, weil ich die Sonnenschutzcreme vergessen hatte. Hier ist, wie immer, Sommer. Daran ändert kein Monat des Jahres etwas, außer der Wechsel von Trocken- und Regenzeit. Derzeit sind wir in der Regenzeit, dieser fällt aber zu unserem Glück hauptsächlich des Nachts. Mit den ersten Sonnenstrahlen am Morgen trocknet alles schnell wieder aus. Wir wollen heute in Kaziba einen Berg besteigen und gepflanzte Bäume begutachten. Die steile Fläche ist mit einem Mischwald bepflanzt und wir sind sehr zufrieden. Ich laufe etwas früher zurück, unten im Tal durch Gärten und Felder und warte in Kaziba auf den Fahrer Chris, der etwas Sorge mit einem Moskitostich hatte und sich bei einem Arzt Medikamente holen wollte. „Warten im Kongo“ ist überall schon etwas Besonderes. 

Heute bin ich in Kaziba sozusagen das „8. Weltwunder“. Vor allem Kinder und Jugendliche kommen angelaufen und schauen mich an, als ob ich gerade von einem anderen Stern gekommen sei. Sie merken schnell, dass sie weder mit Kisuaheli noch mit Französisch weiterkommen. Da kramen einige ältere Jungs, welche offenbar die Oberschule besuchen, ihre Englischkenntnisse aus und wollen erstmal wissen, was ich hier mache, weshalb ich hier warte, wo ich herkomme. Und dann kommt das obligatorische „Muzungu please give me money“. Sämtliche Hände strecken sich jetzt nach mir aus. Ich sage, mit euren Händen könnt ihr schon was machen, um Taschengeld zu verdienen, z.B. Wasser holen, Holz suchen oder der Mama im Garten helfen, was verständlicherweise auf wenig Gegenliebe stößt. Endlich kommt Chris und erlöst mich aus diesen zwar interessanten, aber auf Dauer auch unangenehmen Zusammenhängen. Später frage ich mich, was wohl die Entwicklungshelfer – und andere Muzungus kommen nicht in diese Gegend – falsch machen, wenn hier so viele Kinder und ältere Menschen vor allem beim Anblick eines Weißen fast reflexartig die Hand ausstrecken und nach Geld betteln. 

#UPDATE 

Freitag, 3. Februar 2012

Letzte Nacht wachte ich plötzlich auf und – sssss – ein Moskito hatte mich mitten auf den Kopf gestochen. Wir haben hier keine Moskitonetze und bei den bisherigen Besuchen im relativ kühlen Mushenyi waren Moskitos eher die Ausnahme. Aber diesmal musste ich mit Zeitung und Taschenlampe bewaffnet auf Moskitojagd gehen. Diesmal hatte ich Glück, das Biest hatte mir schon soviel Blut abgezapft, dass es recht träge geworden war und – platsch – hatte ich einen Blutfleck auf der Zeitung. 

Am frühen Morgen waren Moskitos und die Nacht vergessen. Aus der nahen Kirche kam Trommelklang und Gesang rüber, die Vögel zwitscherten und wir saßen wieder auf der Terrasse beim Frühstück. Heute stand in Mushenyi eine Volksversammlung auf dem Programm. Wir machen uns nach dem Frühstück auf den Weg zum Zentrum unserer Projektpartner. Dort versammeln sich heute Vormittag rund 50 Männer und Frauen, darunter einige Chiefs, der Partner, einige Lehrer, die Baumschulgärtner usw. Wir ziehen Bilanz der Aufforstung der letzten Jahre. Hunderttausende von Bäumchen wurden gepflanzt. Zu Beginn hatten die verschiedenen Gruppen schriftliche Versprechungen abgegeben. Wir lesen diese heute vor, mit den Namen, fragen, wer von den Unterzeichnern da ist und ob die Versprechen erfüllt wurden: Von den Baumschulgärtnern; den Ofenbauleuten, den Bauern; den Frauen; den Chiefs und den Projektleitern. Sie alle bekommen viel Beifall und unseren Dank. Eine Ausnahme gab’s. Diese betraf einen Projektleiter, den wir vor 2 Jahren entlassen mussten. 

Dann sprach Henriette über „Forstmanagement“ und dabei stellte sich heraus, dass hier noch große Wissenslücken bestehen: Wie aufgeforstet wird, ja, das wissen jetzt die Leute von Mushenyi, aber wie man richtig abholzt, ohne den Wald zu zerstören, das muss noch geregelt werden. Am Vortag hatten wir in Luhwinja Flächen gesehen, die mal wieder komplett abgeholzt worden waren. Hier muss wieder komplett bei Null angefangen werden, will man neue Bäume pflanzen, so Henriette. Wenn dagegen einzelne Bäume rausgeholt würden, könne da wieder neugepflanzt werden – oder der Wald lasse von selbst seine eigene Saat wachsen und so bleibe der Forst erhalten. 

Wir hatten dann noch einen dritten Teil der Versammlung. Wie soll denn alles weitergehen, wenn das große Projekt bald beendet ist? Können Baumschulen bestehen bleiben? Doch stattdessen verlagerte sich die Diskussion auf ein paar andere Fragen, die offenbar unter den Nägeln brannten: Was ist mit den Viehzüchtern, denen jetzt Weidegründe verloren gehen? Wir kommen darauf, dass das beste Weideland an die Viehzüchter gegeben werden soll, Aufforstungen nur auf zweitklassigen Böden nötig seien, die z.B. steinig sind usw. Auch die Chiefs hatten einige Probleme und die Landfrage, für die sie zuständig sind, geriet in den Mittelpunkt. Vielleicht hatte Mushenyi noch nie vorher solch eine breite öffentliche Diskussion zu diesen Themen – und die Jugend schaute durch die offenen Fenster und hörte ganz aufmerksam zu, was da die Älteren verhandelten. Ergebnis war der Beschluss Chiefs, Bauern und Viehzüchter sollten sich zusammensetzen und diese Fragen so bald wie möglich einvernehmlich regeln. Und für die Zukunft finden wir schon weitere Lösungen fürs Baume pflanzen.

Anschließend waren die Chiefs und die Gäste aus Bukavu und Europa noch zu einem einfachen Mittagsmahl eingeladen, mit Produkten, welche die Felder Mushenyis hergaben, so Oguli aus Maniokgries, Kassavagemüse aus Maniokblättern, Amarandgemüse, Kartoffeln und etwas Fleisch.

Am Nachmittag saßen wir im kleinen Kreis dann wieder zusammen, um noch über ein ganz anderes Projekt zu beraten. Wir möchten gerne zumindest zwei der Ziegeleien in eine neuzugründende Stiftung einbringen, um daraus eine Schule und Jugendarbeit zu finanzieren, denn mit Ziegeln lässt sich Geld verdienen. Jetzt war das Thema: Wie funktioniert eine Stiftung? Wir sind an diesem Nachmittag noch nicht zu einem abschließenden Ergebnis gekommen, mussten das aber auch nicht. In der Abgeschiedenheit des Gästehauses von Kaziba konnten wir in aller Ruhe erstmal die verschiedenen Möglichkeiten beraten. Stiftungen gibt’s noch nicht viele im Kongo.

Der Abend klang dann gemütlich mit Primusbier und fröhlichem Beisammensein aus. Trotz aller Schwierigkeiten wird im Kongo auch viel gelacht und das ist gut so, denn sonst wäre das Leben mit all seinen Entbehrungen wirklich schwer hier.

Samstag, 4 Februar 2012

Nach dem Frühstück fahren wir los. Heute geht’s zurück nach Bukavu. Unterwegs begegnen uns zuerst recht viele Lastwagen, insgesamt so 8 oder 9, kurz hintereinander, die alle aus Bukavu kommen, vollbepackt mit Gütern des täglichen Bedarfs und obendrauf Menschen jeden Alters, die am Wochenende ihre Familien auf dem Land besuchen oder ihre Produkte auf den Samstagsmärkten in Kaziba oder Luhwinja verkaufen wollen. Uns begegnen dann aber auch immer wieder Kühe, die von 12 oder 13jährigen Cowboys ganz souverän an den Straßenrand getrieben werden, damit der Jeep mit den Muzungus vorbeifahren kann. Ich denke daran, dass gestern Celestin, unser Projektleiter in Mushenyi, erzählte, wie er als kleiner Junge vom Bauernhof auch solch ein Cowboy war und aufpassen musste, dass seine Kühe nicht allzu steile Hänge hochstiegen, wo sie leicht runterfallen konnten – und genau dort wollten sie heute die Bäume pflanzen. Soweit ich das jedenfalls heute Morgen beurteilen kann, macht Cowboysein den Kindern sichtlich Spaß. 

Ganz anders sah das in Nyangezi aus, wo wir nach etwa einer Stunde Rückfahrt die Serpentinen des Ruzizitals runter, ankommen. Dort sind viele traditionelle Ziegeleien tätig, die Ziegelsteine brennen, ähnlich wie man in Meilern Holzkohle herstellt. Doch mittendrin steht jetzt unsere Ziegelpresse und da ist nun eine Ziegelei, die kein Holz zum Brennen mehr braucht und deren Ziegel eine sehr viel bessere Qualität haben. Aber Ziegel müssen auch transportiert werden. Die Kunden sitzen in der Provinzhauptstadt Bukavu. So standen dafür eine Reihe von Lastwagen bereit, die beladen werden mussten. Und was ich dann sah, verschlug mir fast die Sprache: Vor allem Kinder schleppten, eins nach dem anderen die Ziegel herbei. Die jüngsten dürften so um die 7 oder 8 Jahre alt gewesen sein und sie trugen manchmal 10 oder noch mehr Ziegelsteine auf dem Kopf zum Lastwagen, ohne dass auch nur einer runterfiel und die Mädchen hatten ein Stirnband und schleppten die Last damit haltend auf dem Rücken, so wie ihre Mütter die Lasten tragen. Ich hörte, sie seien zu arm um zur Schule zu gehen und arbeiteten jeden Tag hier. Ich muss gestehen, die Gesichter dieser armen Wesen, die solch schwere Lasten tagaus tagein bei glühender Hitze zu tragen hatten, werde ich so schnell nicht vergessen. Natürlich habe ich unseren Leuten eingeschärft, dass wir jetzt nicht eine Stiftung zum Wohle der Jugend gründen können, welche dann die Ziegel unserer Pressen - so wie diese Kinder - zu den Lastwagen schleppen. Bei unserem Projekt müsse Kinderarbeit absolut tabu sein. Die jüngsten Mitarbeiter an der Ziegelpresse sind übrigens 18 Jahre alt – und diese Tätigkeit ist wesentlich angenehmer als dies Schleppen der Ziegelsteine.

Dabei hat der Kongo die meisten völkerrechtlichen Verträge zum Schutze der Jugend unterzeichnet, aber leider kümmert sich der Staat kaum um die Einhaltung dieser Verpflichtungen. An vielen Baustellen ist Kinderarbeit zu sehen und man lässt sie vor allem die Steine schleppen…

Bei der Rückfahrt sahen wir dann aber auch mal etwas ganz anderes, das uns dann in komplettes Erstaunen versetzte: Wir sahen gleich mehrmals unterwegs Männer, die ihren Baby-Nachwuchs auf dem Rücken trugen, so wie dies sonst die Mütter in Afrika handhaben. Das ist wirklich eine kleine Sensation, denn bisher dachten wir, die kongolesischen Männer seien sich für sowas zu schade, hier ihren Frauen zu helfen.

Mittags erreichten wir dann wieder das lärmige, staubige Bukavu mit seinen Tausenden von Menschen; die alle zu Fuß und mit Lasten bepackt, vorzugsweise auf dem Kopf, entweder in die Stadt liefen oder wieder nach Hause aufs Land. Am Straßenrand ein Kleinhändler neben dem anderen sitzend oder stehend. Angeboten wird hier praktisch alles, von der Telefonkarte bis zum Toilettenpapier, Wasserflaschen; Primus, Brot, Maniok, Bananen, Avocado, Schuhe, Bekleidung, auch Nagellack für Frauen, Seife, Kochgeschirr, sogar Möbel usw. usf. Alles im Freien und wenn’s regnet werden schnell große Plastikplanen drueber ausgebreitet. 

Im Quartier angekommen, habe ich allerdings erstmal die Dusche über mich regnen lassen. Nach einer Woche auf dem Land war dies bitter nötig. 

Am Nachmittag kam dann noch der deutsche Pater C. mit einer Besucherin aus der Heimat vorbei und wir tranken zusammen Tee. Pater C. leitet die hiesige kirchliche Druckerei und wir kennen uns schon seit Jahren. Er lebt schon gut 40 Jahre im Kongo und spricht die lokalen Sprachen Mashi und Kisuaheli. Seine Verbindung zur Heimat hielt er bisher auch über die „Deutsche Welle“ aufrecht; deren Nachrichten er regelmässig über Kurzwelle empfangen konnte. Aber jetzt ist er gar nicht gut auf die „Deutsche Welle“ zu sprechen, denn man hat die Kurzwellensendungen zugunsten des Internets schlicht eingestampft. Als ob man im afrikanischen Busch, wohin doch gesendet werden solle, überall Internet habe. Die Leute bei der „Deutschen Welle“ seien ganz realitätsfern, so Pater C. Jetzt muss er BBC oder Radio France International hören, um Nachrichten aus Europa zu bekommen, die etwas näher an den Bedürfnissen ihren afrikanischen Hörer geblieben sind.

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