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08.Februar.2012 │ Lernen - Helfen - Leben e.V.

4. Kongobrief - c’est la vie en congo!

Dieses Werk ist gemeinfrei, weil es Bildmaterial aus dem CIA World Factbook darstellt, das ursprünglich vom Zentralen Nachrichtendienst der Vereinigten Staaten veröffentlicht wurde

Dieses Werk ist gemeinfrei, weil es Bildmaterial aus dem CIA World Factbook darstellt, das ursprünglich vom Zentralen Nachrichtendienst der Vereinigten Staaten veröffentlicht wurde

Pünktlich um 8.15 Uhr stehen Anatole und Antonios vor dem Haus. Wir wollen heute nochmal nach Nyangezi fahren. Anatole hat dort mit seiner Organisation eine Fläche aufgeforstet, die er uns unbedingt zeigen will.


Sonntag, 5. Februar 2012

Die Straßen Bukavus sind an diesem Sonntagmorgen wohltuend leer. Fast keine Menschenseele ist hier im Zentrum unterwegs. Doch etwas weiter oben, hinter der Universität, pulsiert das Leben wie eh und je. Die Markthändler schreien, Autos hupen und Anatole sagt, wir sollten besser die Autofenster schließen, hier seien viele Diebe unterwegs. Weiter draußen im Stadtteil Essence ist dann wieder der Sonntag spürbar. Viele Menschen eilen festlich gekleidet wohl in die umliegenden Kirchen. Heute sieht man hier nur wenige Leute Lasten tragen. Wir durchqueren den Stadtteil Panzi, werfen einen Blick auf die Bäume, hinter denen sich das dortige Krankenhaus verbirgt, das weltweit zu einer traurigen Berühmtheit gelangte, weil hier viele der während und nach dem Krieg in der Region von Soldaten und Milizen oft grässlich vergewaltigten Frauen behandelt wurden. Dann noch ein paar Kurven und wir sind aus der Stadt raus. 

Die Straße windet sich immer höher hinauf an Eukalyptus- und Bananenplantagen entlang und irgendwann geht’s dann wieder sanft runter in die Ruzizi-Ebene bei Nyangezi. Dort nehmen wir diesmal die Abzweigung nach Uvira – eine Nationalstraße, die aber trotz des hochklingenden Namens keineswegs in einem besseren Zustand ist wie fast alle anderen Straßen im Kongo. Sie führt immer weiter hinauf, bei einer Höhe von weit über 2.000 Metern überqueren wir den Pass und dann geht’s wieder runter – und wenn wir weiterführen, viele Serpentinen runter bis auf eine Höhe von 800 Metern kämen wir in Kamanyola (Googlebilder zu Kamanyola) an, dem kongolesischen Grenzstädtchen zur ruandischen Südgrenze (Ruanda). Die Straße führt dort bis weiter nach Uvira am Tanganyikasee, der etwa 700 Meter über Null liegt. Doch kurz hinter dem Pass sind wir heute schon am Ziel. Von dort geht der Blick weit ins östliche afrikanische Gebirgsland. Drüben, weit unten, liegt das Ruzizital mit dem Fluss, der vom Kivu- zum Tanganjikasee fließt. Dahinter ist das Gebirgsland von Ruanda zu sehen. Und ganz vorne, neben der Nationalstraße hier, haben die Leute von Anatole ungefähr 13ha eines teilweise recht steilen Hanges mühsam aufgeforstet. Wir treffen diese fleißigen Baumschulgärtner und sie zeigen uns stolz ihre Arbeit, umgehen ihre Fläche und stellen unterwegs ganz erstaunliches fest. Hier ist nämlich noch sehr viel Buschwerk der ursprünglichen tropischen Vegetation vorhanden. Wir gehen einem kleinen Bachlauf entlang runter mit der üppigsten Vegetation. Keinerlei Anzeichen von Erosion. Der gesamte „Mutterboden“ ist noch vorhanden, wird sogar von wildem Setaria- und Trypsacumgras festgehalten, das sehr tief wurzelt und das wir sonst an erosionsgefährdeten Flächen mühsam anpflanzen müssen. Solch eine gute Aufforstungsfläche haben wir in dieser Region noch nicht gesehen. Der einzige Schönheitsfehler sind die artfremden Eukalyptusbäume, die sich eben auch zwischendrin finden und offenbar irgendwann mal von Menschenhand hier angepflanzt wurden und seither weiterwucherrn, aber aus dem Busch nicht hinauswachsen, weil dies begehrtes Brennholz ist. Hin und wieder finden sich zwischendrin auch winzige Maniokanbauflächen. Der Eukalyptus, so finden wir, sollte wirklich so schnell wie möglich komplett entfernt werden, aber die Leute sollen achtsam dabei sein und nicht die jungen Pflänzchen verletzen. Ich hoffe nur diese Aufforstung kann vor dem Brennholzbedarf genügend geschützt werden. Vielleicht sollte zum Ausgleich in der Nachbarschaft ausnahmsweise mal eine Eukalyptus- oder Pinusplantage angelegt werden, so Henriette; die schnell wachsen und deswegen den Brennholzbedarf rasch decken können…

Ich gratuliere Anatole fuer diese großartige Arbeit seiner Mitarbeiter hier. Bisher sind erst 10% der verfügbaren Ländereien aufgeforstet. Ob wir für die Bepflanzung des restlichen Gebietes seiner Organisation auch noch eine Unterstützung geben können lässt sich ihm leider zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht versprechen. Wir wollen unser Möglichstes versuchen.

Am Nachmittag, zurück im Quartier, treffe ich beim Tee einen belgischen Radiomann, der hier lokale Rundfunksender unterstützt, die u.a. ausführlich über Umweltprobleme und ihre Lösungen berichten wollen. Viele Menschen hier, die kaum Lesen und Schreiben können, hören Radio. Ich frage ihn, wie sie denn die Alt-Batterienfrage behandeln? Was sage man denn dazu den Leuten im Radio? Oh, antwortet er, darüber habe man eigentlich noch nicht nachgedacht. Aber dies gehöre unbedingt dazu, das sei richtig und er wolle sich des Themas annehmen. Wir tauschen unsere Karten aus. Ich bin mal gespannt, was da rauskommt…

Derweil trifft sich Henriette in einem teuren Hotel mit Experten der staatlichen Entwicklungszusammenarbeit. Sie kommt völlig fassungslos zurück, hat sie doch auf der Hotelterrasse ein paar gemütlich rauchende Herren getroffen, die seit 2005 (und bis 2017) ein Programm mit viel Geld verwalten, das die Holzversorgung Bukavus verbessern soll, aber über Studien zum Holzverbrauch scheint man bisher nicht hinausgekommen zu sein und Aufforstung sei schon gar kein Thema gewesen. 

Henriette hat zum ersten Mal erlebt, dass staatliche Entwicklungszusammenarbeit manchmal völlig abgehoben agiert und nur wenig in der Lage ist einen Bezug zur lokalen Bevölkerung und ihren Sorgen herzustellen. Diese Leute seien erstaunt gewesen, dass wir ausschließlich mit dieser zusammenarbeiten – ohne „Experten“ aus dem Ausland – und das schon seit 20 Jahren. Wer hätte gedacht, dass das möglich ist? Wir stellen uns vor, wie viel Wälder wir allein mit dem Geld hätten pflanzen lassen können, das dort bisher in Reisetätigkeit und Studien gegangen sein muss. 

Aber wir haben keinen Grund besonders stolz zu sein, denn auch wir müssen zugeben, dass bei uns Gruppen dabei sind, deren Leistungen eher bescheiden einzustufen sind. Wir müssen überlegen, ob wir das weiter fördern sollen – oder nicht eher die fleißigen Gruppen belohnen, welche mit den gleichen Geldmitteln großartige Arbeit geleistet haben. 

Traurig ist aber schon, dass in einem Luxushotel Bukavu Leute mit der richtigen Fragestellung sitzen, aber offenbar kein Bein auf die Erde kriegen.

Am Nachmittag verabrede ich mich mit Denis aus Belgien zu einem Spaziergang durch das Zentrum von Bukavu. Er zeigt mir das große Hauptpostamt, einst von seinen Landsleuten gebaut. Seinerzeit seien viele Briefe geschrieben worden. In der großen Halle finden sich mindestens 10 bis 15 Schalter, doch heute sei davon werktags höchstens einer in Betrieb. Der Rest des Gebäudes befindet sich in zunehmendem Verfall. So sind sämtliche Scheiben der Fenster im ersten Stock eingeschlagen. Neben dem Gebäude des Hauptpostamtes findet sich auch das „Photokopierzentrum“ Bukavus. Vielleicht 5 oder 8 Photokopierer stehen unter den Bäumen rum, durch Drähte irgendwo mit dem Stromnetz oder einem Generator verbunden und die Besitzer bieten auch am Sonntag ihre Dienste an. Bei Regen muss alles schnell unter das Vordach des Postamtes geschleppt werden. Wir gehen etwas weiter und Denis weist mich auf ein Trafohäuschen hin, dessen Türen sperrangelweit offen stehen. Denis geht hinein und prüft, ob da noch mal was repariert wurde. Jawohl, er findet einige nagelneue Schalter. Hier kommt der Starkstrom an und wird auf 220V umgewandelt, um ins Netz des Zentrums eingespeist zu werden. Jeder kann hier reinlaufen und sich einen tödlichen Schlag holen, oder, bei Sabotage; die Stromversorgung lahmlegen. C’est la vie en Congo.

Als wir zu unserem Quartier zurückkommen, stehen auf der Straße rundrum sämtliche Menschen merkwürdig still und starr da und uns wird bedeutet, wir sollten uns ja nicht weiterbewegen. Und dann sehen wir auch schon, was los ist. Etwas weiter unten ist das Hauptquartier der Armee, wir haben 18 Uhr und die kongolesische Flagge wird feierlich eingeholt und für die Nacht sicher ins Bett gebracht. Zu diesem „Zapfenstreich“ bläst ein Trompeter feierlich die Nationalhymne mehr schlecht als recht und wer dazu nicht strammsteht, kann mit Unannehmlichkeiten rechnen. 

Werktags wird dafür auch der gesamte Verkehr auf der belebten Straße zum Stillstand gebracht. Heute sind hier besonders viele junge Leute, weil trotz Sonntag den ganzen Tag auf einer Baustelle gegenüber intensiv gearbeitet wurde. Hausbau im Kongo ist arbeitsintensiv. Mindestens 30 oder 40 Jugendliche schleppen immerzu Ziegelsteine, Zement oder was immer benötigt wird über eine provisorische Holztreppe inzwischen zum 2. Stock und das geht nicht ab ohne viel Geschrei, Lachen und Johlen. Ein Lärm von früh bis spät. Offenbar wird der Bau von einem Muslim finanziert, denn ein solcher steht oben in seinem flatternden weißen Gewand und scheint die Leute zu dirigieren. Doch in wenigen Minuten wird’s dunkel und dann versinkt Bukavu schnell in einen Dornröschenschlaf, denn nachts sich in dieser Stadt fortan zubewegen ist nicht ganz ungefährlich, viele Gauner und schlimmere bewaffnete Gesellen sind unterwegs und deswegen eilen die meisten Menschen rasch nach Hause, um ihnen nicht noch zu begegnen.  

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