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Für jeden unserer Rucksäcke einen Sitz und dann hatte Antonios noch eine große Kiste mit einem Fernsehapparat irgendwo erstanden. (Worüber sich die Familie später freute wie an Weihnachten) Ja, und die musste dann auch noch mit. So hatten wir für sieben Sitze zu zahlen. Die einfache Fahrkarte kostet 7 Dollar für die vielleicht 150 km durch Ruanda und die Ebene nördlich des Tanganjikasees. 7 Sitze bedeuteten also 49 Dollar. Ein Taxi wäre erheblich teurer gewesen. Zum Abschied waren wieder alle Freunde zum Bus gekommen.
Jetzt stellt Euch bloß keinen Omnibus vor, wie Ihr das aus Deutschland kennt. Busse im Kongo stammen von Toyota und haben die Grösse eines VW-Busses. Offiziell dürfen 18 Personen plus Fahrer da mitfahren, d.h. vorne, neben dem Fahrer zwei und dann vier Reihen mit jeweils vier Personen. Die letzte Reihe hatten wir diesmal also für unser Gepäck reserviert – und die anderen waren ganz froh, ihres dann bequem darauf legen zu können (was sie sonst auch noch auf ihrem Schoß hätten halten müssen. Also, Ihr könnt Euch schon denken, man sitzt jetzt für die nächsten 3 Stunden in dem Bus wie Heringe in der Dose gepresst sind. Von „Beinfreiheit“ keine Spur. Also, ständig Füsse bewegen, damit sie nicht „einschlafen“! Und ich habe bisher im Kongo auch noch keinen solchen Kleinbus gesehen, der nicht vollbesetzt war. Während wir uns von unseren Freunden verabschieden beginnt der Regen. Als wir im Bus sitzen, regnet's in Strömen – wenige Kilometer weiter müssen wir am Grenzübergang Ruzizi I zu Ruanda wieder raus, uns den Stempel der kongolesischen Grenzbeamten holen, die dafür wieder mal die Namen meines Vaters und meiner Mutter eifrig registrieren und dann geht’s rüber zu den Ruandern, die neuerdings Englisch als Amtssprache haben und Mitglied im Commonwealth geworden sind und deswegen auf Englisch grüßen. Auch hier muß ein Formular ausgefüllt werden, als Deutscher braucht man glücklicherweise kein Visum. Der Regen wird immer stärker, aber wir fahren im trockenen Bus über die gut ausgebaute Straße und ein halbe Stunde später sind wir wieder am Grenzübergang zurück zum Kongo und alles nochmal. Papa und Mama, dann Stempel holen. Fertig. Wir hätten auch auf der kongolesischen Seite des Ruzizitales fahren können, hätten aber über die dortige sehr schlechte Straße mindestens 4 Stunden mehr gebraucht. So fahren wir jetzt weiter durch den Regen Richtung Tanganjikasee über eine der wenigen geteerten Straßen des Kongos nach Uvira. Nebenan die Hütten und vielleicht darf ich verraten, daß dort fast überall die kleineren Kinder draußen – splitternackt spielten. Wieso sollten sie bei dem warmen Regen auch bekleidet sein? Beim Baden ist man das ja auch nicht wirklich und jede Kleidung wäre innerhalb weniger Minuten völlig durchnäßt gewesen. Ich vermute, den Kindern hat dieses Spielen mehr Spaß gemacht als in der Hütte auf das Ende des Regens zu warten. Ganz anders die – Ziegen. Ihr wisst sicherlich nicht, daß die Ziegen ganz und gar wasserscheu sind. Das war einfach nur lustig anzusehen wie überall, aber wirklich überall, die Ziegen auch unter dem schmalsten Dachvorsprung sich an die Mauern schmiegten und Schutz vor dem Regen suchten und zwar erst die Ziegenmama und direkt dahinter, eng an die Hauswand gedrückt, auch der Ziegennachwuchs – tatsächlich überall.
Kurz vor Uvira kamen wir durch den Stadtteil Kasenga. Die Mitglieder unseres Partnervereins Dialog International kennen diesen Ort, weil dort vor einigen Jahren mal ein großes Hochwasser war, bei dem mehrere Menschen zu Tode kamen. Wir hatten seinerzeit deswegen vom deutschen Außenministerium zunächst Mittel für Nothilfe bekommen und später wurde vom Entwicklungsministerium ein Projekt zur Drainage für die Abwasser dieses Stadtteils bewilligt. Wie ganz Uvira liegt der Ort am Rande hoher Berge, die, wie ich auch diesmal hörte, vor wenigen Jahrzehnten alle bewaldet waren. Inzwischen sind fast sämtliche Bäume verfeuert und Ihr könnt Euch leicht denken, was jetzt passiert, wenn ein großer Regen kommt. Während meiner verschiedenen Besuche in den letzten Jahren habe ich mir jedesmal den Zustand dieser Drainage angeschaut und angemahnt, sie müsse auch mehrmals im Jahr gewartet (und nicht zugemüllt) werden, damit bei einem künftigen Hochwasser auch alles gut in den Tanganjikasee abfliesst. Heute also sah ich Kasenga mal wieder überschwemmt. Unglaubliche Wassermengen flossen da mit Riesengeschwindigkeit runter und auf der anderen Straßenseite weiter. Ich hatte nicht viel Zeit zu schauen, der Bus fuhr schnell vorüber, aber was ich sah war, daß offenbar die Drainage einigermaßen funktionierte. Ohne sie wäre wieder eine sehr große Katastrophe in Kasenga eingetreten.
Kurz nach Kasenga kamen wir bei unserem Hotel an und müssen das Gepäck noch ein paar Meter durch den Regen schleppen und dann ist alles überstanden. Später liess der Regen nach und sogar einige Sonnenstrahlen liessen sich wieder blicken. Doch wir waren dafür zu müde. Nach dem Essen und nach Einbruch der Dunkelheit wollten wir nur noch Schlafen. Das allerdings war mal wieder nicht einfach. Das Hotel steht im Geschäfts- und sagen wir mal Vergnügungsviertel. Und in den Bars und Tanzlokalen gibt’s keine doppelten Fensterscheiben und Lärmschutzwände. So ist also die halbe Nach mal wieder Kongo-Rumba angesagt, aber glücklicherweise gibt’s „Ohropax“ und so ist mir das diesmal ziemlich egal.
Wir hatten Frühstück für 06.15 Uhr bestellt und pünktlich werden uns Brot, heißes Wasser, Nescafé, Teebeutel (aus Ruanda) und ein gebackenes Ei serviert. Wir sitzen bei Sonnenaufgang auf der Hotelterrasse und überblicken den nördlichen Zipfel des Tanganjikasees. Kurz später stehen wir vor dem Hotel und engagieren zwei „Motos“, die hiesigen Taxis, also Mopeds, gefahren von jungen Leuten, die pro Fahrt 300 Franc Congolais kassieren (ein Drittel Dollar) und einen dafür zielsicher und recht schnell um die vielen Schlaglöcher der Straße zum anderen Ende der Stadt kutschieren. Henriette muß heute noch einen Kurs in der Bedienung des GPS-Gerätes geben, während ich mir eine weitere Aufforstungsfläche in einem sehr erosionsgefährdeten Gebiet anschauen möchte. Wir, d.h. Xenia, die Frau von Antonios und zwei Baumschulgärtner laufen dorthin, ich muß über einige Felsen klettern und sehe, daß zahlreiche einheimische Bäume hier ganz gut angegangen sind. Nur - auf beiden Seiten der vielleicht an dieser Stelle 10 Meter breiten Fläche hat sich jeweils ein sehr tiefes Bachbett eingegraben, das beim gestrigen Regen noch mehr Erosion verursachte. Hier muß, so wird mir erläutert, dringend Bambus gepflanzt werden. Das sei schon fest geplant. Bambus ist der beste Schutz gegen Erosion.
Der Vormittag ist wieder sehr heiß und dann wird mir schwarz vor den Augen. Ach, wieder mal der Kreislauf! Und jetzt habe ich nichts zu trinken dabei. Wie ärgerlich! Ich muß mich hinsetzen, die anderen machen sich Sorgen, laufen runter und holen in einem Kanister Wasser. Mir ist ganz peinlich, daß ich ablehnen muß, dies zu trinken. Europäer sind dies nicht gewohnt und können sich alle möglichen Magenprobleme damit einhandeln. Deshalb ist nur abgefülltes Trinkwasser zu empfehlen. Und jetzt hat da jemand gleich den ganzen Kanister angeschleppt! Xenia kommt plötzlich mit einem riesigen Sonnenschirm an, während die anderen mir vorher frische Luft zufächelten. Welche Fürsorge! Nach etwa 10 Minuten ist der Spuk bei mir vorbei, aber wir treten den Rückweg an. Ich trage den Sonnenschirm und das muß wohl sehr komisch ausgesehen haben. Abgeliefert wurde dieser dann wieder bei seiner Besitzerin, einer Verkäuferin von Holzkohle und weiteren Dingen des täglichen Bedarfs, etwas weiter unten im Viertel. Die Leute rundrum lachen über diesen kursiosen Muzungu mit dem Sonnenschirm. Und etwas später war dann endlich auch das abgefüllte Wasser zu kaufen.
Am Nachmittag waren wir etwas weiter draußen mit den Baumschulgärtnern und dem Chief de Groupement einer weiteren Aufforstung zusammen. Das Projekt neigt sich dem Ende zu und alle machen sich natürlich Sorgen, wie das weitergehen soll. Dazu waren wir nicht allzu zufrieden mit dem Projekt, z.B. war einmal eine aufgeforstete Fläche durch Brandstiftung abgebrannt, eine Feuerbrigade für die Trockenzeit hatte man nicht aufgestellt, was wir vorher gefordert hatten. Andererseits war schwierig gewesen die lokalen Bevölkerung wirklich zu engagieren. Das kannten wir auch von anderen Projekten, aber mit Geduld gelang das meistens. Auch heute berichteten die Mitarbeiter, dass inzwischen immer mehr Bauern verstünden, worum es gehe und inzwischen selbständig Bäume pflanzten. Endlich! Aber das Projekt ist bald vorbei. Wir diskutieren, ob die Baumschulen nicht kommerzialisiert werden könnten? Sie wüßten doch jetzt, wie man Bäumchen produzieren, auch Obstbäume und in ganz Uvira könne man – außer Eukalyptus – nirgends sowas kaufen. In der Tat, hier könnte für die Baumschulgärtner eine berufliche Perspektive entstehen, wenn sie sich etwas Mühe geben, also besser als die Arbeitslosigkeit und ein Arbeitsamt gibt’s hier nicht. Nur die Verwandtschaft, die einen dann über Wasser halten muß. Außerdem sage ich, wüßten sie doch jetzt alle, wie der holzsparende Lorena-Ofen gebaut wird - und in vielen Dörfern des Kivu wisse man das noch nicht und müsse mühsam Unmengen an Holz suchen. Könnten sie nicht umherziehen und ihr Wissen weitergeben? Von Uganda hören wir, daß die Ofenbauer des Lorenaherdes alle ausschließlich auf eigene Rechnung arbeiten und entweder mit Geld oder mit Früchten des Feldes bezahlt werden, die sie dann in der Stadt gut verkaufen können. Könne das nicht auch im Kivu funktionieren? Jedenfalls können wir kein neues Projekt versprechen, haben aber ein großes Interesse daran, daß die Baumschulgärtner irgendwie in ihrem Metier bleiben und nicht jetzt etwa umschulen müssen. So wäre natürlich schon ganz gut, wir könnten in Zukunft für den Erhalt der Baumschulen eine Unterstützung geben. Auf jeden Fall wollen wir, so erkläre ich dann, uns bemühen, die Baumschulgärtner auch künftig weiter fortzubilden und mit ihren Kollegen in anderen Orten der Provinz zum Erfahrungsaustausch zusammenbringen.
In der Tat, wir haben jetzt jahrelang schon in die Ausbildung der Baumschulgärtner investiert und wollen nicht, daß dieses Wissen verlorengeht. Die Frage, wie die Projekte hier im Kivu weitergehen, beschäftigt uns noch später auf der Hotelterrasse. Wir diskutieren über Entwicklungshilfe und darüber, wieso die Chinesen eigentlich mit ihren kommerziellen Projekten „auf gleicher Augenhöhe“ mit „win-win“ für beide Seiten hier bisher so gut gefahren sind, während die Europäer und Amerikaner mit Entwicklungshilfe oft „weiße Elefanten“ in die Gegend setzen. (Projekte, die nicht funktionieren, obwohl sie viel Geld kosten.) Eine Antwort ist vielleicht, daß „Gutes auch etwas kosten muß“. Wer etwas geschenkt bekommt, fühlt sich möglicherweise nicht so verantwortlich wie jemand, der mühsam einen Beitrag zur Bezahlung geben mußte. Die Chinesen arbeiten eher auf dieser Basis. Andererseits, so stelle ich selbst fest, ist die Armut hier oft so groß, daß oft nur noch auf gemeinnütziger Basis geholfen werden kann. Wahrscheinlich ist ¾ aller wirtschaftlichen Aktivität in Bukavu die Schattenwirtschaft, unterhalb der offiziellen Ebene, also ganz winzige Produktion, ganz winziger Handel mit Hilfe von Kleinstgenossenschaften und gemeinnützigen Vereinen. Diese Ebene muß sicherlich noch lange gefördert werden.
Wir sahen heute zufällig ein neues Projekt, der Anfang von Massenhaltung von Hühnern zur Eierproduktion, auch gefördert durch Entwicklungshilfe. Nun ist hier sicherlich kein Eiermangel, denn die Leute halten sich alle selbst Hühner. Und wenn jetzt auf einmal so viele Eier auf den Markt kommen – werden dann nicht die Preise sinken und die vielen kleinen Eierproduzenten dann noch weniger Einkommen haben? Ist nicht sowas durch die großen Supermärkte vor wenigen Jahrzehnten auch in Deutschland passiert, wo ein „Tante-Emma-Laden“ nach dem anderen dicht machen musste?
Im Kongo wird die moderne Zeit in den nächsten Jahren noch sehr viel Veränderung bringen. Aber auch Kommunalwahlen wären dringend nötig, damit die lokalen Behörden endlich den Wählern gegenüber verantwortlich sind und nicht irgendwelchen unbedeutenden Leuten in Behörden im fernen Kinshasa. Und dann werden vielleicht auch einmal die öffentlichen Dienste so organisiert, wie sie gebraucht werden, z.B. ein vernünftige Müllentsorgung, oder die Reparatur von Straßen oder die Drainage der Abwässer in Vororten oder, ja, wofür ist eigentlich der öffentliche Dienst alles zuständig? Genau das muß hier diskutiert werden! Jedenfalls ist mehr nötig, als einen Stempel auf ein Papier drücken und dafür möglicherweise noch Geld kassieren. Das, sagte mir neulich hier jemand, machten die kongolesischen Beamten am liebsten.