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Wirklich, die Armut der meisten Menschen ist überwältigend und wir sehen ja nur ganz wenig davon. Jeder muss sich irgendwie durchschlagen und oft reicht dies höchstens für eine Mahlzeit am Tag – wenn überhaupt. Nicht etwa weil zu wenig Nahrungsmittel erzeugt würden, sondern weil man sich nicht leisten kann, allzu viel zu kaufen. Wer überhaupt eine feste Stelle hat bekommt meist ein winziges Gehalt unter der Armutsgrenze und muss sehen, wie er oder sie über die Runden kommt und dann noch oft mit 6, 8 oder sogar 10 Kindern.
Ich bringe die Besucherin mittags zurück zu ihrem Quartier und laufe allein zurück. Diesmal nehme ich einen anderen Weg, der am Zentralgefängnis entlang führt und dort steil den Berg hinan, von wo aus man von oben einen direkten Einblick in die Innenhöfe des Gefängnisses hat. Heute scheint Waschtag zu sein, jedenfalls hängt überall die Wäsche, soviel, dass sich daraus die starke Belegung erschließen lässt. Hin und wieder huschen auch Gestalten durch die Innenhöfe. Von einer Kochstelle steigt Rauch auf. Leider laufen trotzdem die meisten Gauner im Kongo frei rum. Straflosigkeit ist ein sehr ernstes Problem hier, das in diesem Ausmaß erst nach der völkerrechtswidrigen Besetzung durch die östlichen Nachbarländer mit allen möglichen Milizen entstanden ist. Viele Kriegsverbrechen sind geschehen und fast alle bis heute ungesühnt. Die UNO spricht von 5 Mio. Kriegstoten…
Vermutlich sitzen aber da unten im Knast die kleinen Gauner, während die großen sich das eher noch gut sein lassen können und immer noch nachts z.B. die Stadt hier unsicher machen. Auf dem Rückweg fällt mir wieder die intensive Bautätigkeit auf. Wer irgendwie Geld hat, scheint dies sofort in Immobilien anzulegen. Und noch etwas fällt mir wieder einmal auf. Eigentlich sind die Häuser, die hier gebaut werden architektonisch durchaus geschmackvoll - wenn nicht schön - konzipiert, wenn auch die Qualität der Bauten oft zu wünschen übrig lässt. Nicht selten scheint auch das Geld vorzeitig auszugehen. Man wohnt dann schon im fensterlosen Haus in der Baustelle. Bei diesem Klima hier sind Fenster auch nicht unbedingt zwingend – außer zum Schutz gegen Diebe. Übrigens haben weiter unten, vom Place d’Indépendance an die Chinesen zu meiner großen Überraschung in den letzten Monaten 2011 noch einen Teil der langen Avenue Industrielle geteert, doch Pater C. erläutert dann: exakt bis einen Tag vor den nationalen Wahlen. Seitdem habe man jegliche Bautätigkeit eingestellt.
Heute Mittag zieht sich der Himmel zu. Beim Mittagessen zucken wir alle zusammen, ein schwerer Donnerschlag. Das Gewitter ist da und mit ihm fast für den ganzen restlichen Nachmittag der Regen. Für den Abend bin ich aber zum Abschlussfest der Konferenz eingeladen und hatte mir vorgenommen, zu Fuß hinzugehen. Doch jetzt bei Regen, ist das nicht gerade ein Zuckerschlecken. Da muss wohl ein Taxi helfen. Aber wie bezahlen? Ich habe nur noch einen 100 Dollar-Schein in der Tasche und damit lassen sich schlecht die 500 Franc Congolais (etwas mehr als ein halber Dollar) für das Taxi bezahlen. Denis hilft mir aus der Patsche und macht den Schein klein. Doch als ich losging hatte der Regen aufgehört und ich konnte doch zu Fuß gehen. Allerdings - was für Straßen sind das jetzt? Wo sonst arg viel Staub aufwirbelt, ist jetzt alles total verschlammt. Man muss bei jedem Schritt aufpassen, wohin man tritt und dazu noch auf die Autos von nebenan, um nicht vollbespritzt zu werden. Aber an diesem Spätnachmittag sind jetzt viele Menschen unterwegs, die meisten wohl auf dem Heimweg.
Mir ist wichtig, hier zu Fuß zu gehen, wie die meisten Menschen hier. Sie erleben meistens, wie die Muzungus herumkutschiert werden, also einer anderen Welt angehören. Ich möchte dagegen doch lieber Freud und Leid mit den Einheimischen teilen. Und heute ist ein relativ kleines Leid die matschige Straße.
Allerdings findet die Abschlussveranstaltung der Konferenz in einem eleganten Hotel statt, also wieder in der „anderen Welt“ – und ich stehe jetzt mit total verdreckten Schuhen davor. Glücklicherweise hat das Hotel einen gepflegten Rasen und der muss jetzt mal als mein „Schuhputzer“ herhalten. Kurz später sitze mitten in der Abschluspräsentation der Konferenz, das Fernsehen, die Nachrichtenagentur Reuters und andere Reporter machen Aufnahmen und links sitzen an einem Ehrentisch neben der obligatorischen kongolesischen Flagge ein Minister Burundis und der Provinz Sued-Kivu und in der Mitte seine Exzellenz der Gouverneur des Sued-Kivus.
Wie üblich ist das Ergebnis auch dieser Konferenz ein Forderungskatalog an die Regierung und einige andere Akteure der Zivilgesellschaft. Vielleicht können wir in den nächsten Tagen etwas mehr über die Inhalte der Konferenz berichten. Jedenfalls werden jetzt die Abschlussreden gehalten – wie überall, reden die Leute gern und viel, aber endlich ist alles gesagt und um 19 Uhr ist dann Aufbruch zum Ort des Abschlussfestes, ein anderes Luxushotel in Bukavu. Für uns steht ein Bus bereit und in diesem ersten Hotel am Platz, dem Hotel Residence, ist dort in einem großen, halboffenen Saal, wo früher vielleicht mal der Garten war, alles festlich vorbereitet und das Essen dampft schon. Aber vorher gibt’s noch ein Kulturprogramm und nochmal ein paar Reden. Die Tanzgruppe auf der Bühne beeindruckt durch geschickte Verbindung traditioneller mit moderner Kultur – ja, sie bringt genau diesen Konflikt auf die Bühne. Wofür die Völker Europas Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte benötigten, muss hier in der tropischen Welt ganz schnell integriert werden und genau das haben die Künstler exzellent dargestellt, auch gekleidet halb im westlichen Habit und halb mit traditionellen Baströckchen. Diese jungen Tänzer haben wirklich ein hochkarätiges Programm geboten und alles wäre noch viel besser gewesen, wenn nicht die Lautsprecher im Saal – wie so oft im Kongo – völlig überdreht gewesen wären. Später merken das auch andere Leute und alles geht etwas gedämpfter weiter. Natürlich sitzt auch wieder der Gouverneur mit seiner Begleitung an einem Ehrentisch, der an der gesamten Konferenz teilgenommen hat. Nach dem Essen, das wegen der vielen Reden dann ziemlich zerkocht war, trotz Luxushotel, ist dann Tanz für alle nach den Klängen des Kongo-Rumba angesagt und ich wage mich schließlich auch auf den Tanzboden. Dort werde ich dann bald von hinten mit einem kräftigen Schlag auf die Schultern begrüßt. Ich drehe mich um und da strahlt mich seine Exzellenz der Gouverneur an. Er fand wohl gut, dass ich mich auch im Kongo-Rumba versuchen wollte. Wir kommen dann ein bisschen ins Gespräch – small talk nennt man das – und er erzählt mir, dass er viele Jahre in Belgien gelebt habe. Er spricht ein gutes Englisch und wir entdecken dann sogar einige gemeinsame kongolesische Bekannte aus dieser Zeit. Schon vorher, gegen Ende der Konferenz, war ihm Antonios aufgefallen und er hatte ihn zu sich gerufen und ihm ausdrücklich gedankt für seinen Übersetzungsdienst für Henriette. Antonios hat dann die Gelegenheit gleich beim Schopfe genommen und ihn um seine Unterstützung für seine Bemühungen zum Schutz des noch ziemlich unberührten Itombwe-Waldes gebeten und bekam dann auch gleich seine Visitenkarte zur späteren Kontaktaufnahme.
Auf dem Tanzboden treffe ich dann auch Bisunzu; den ich schon lange kenne. Er ist ein Bauer und war im Suedkivu der erste, der angefangen hat die Ziegen zu melken. Hier gibt’s sehr viele Ziegen, der Bevölkerung ist aber nicht bekannt, wie man Ziegenmilch und –käse herstellt. Ihr könnt Bilder von Bisunzus Aktivitäten auf einer der Webseiten von L-H-L finden: www.kongo.l-h-l.org. Bisunzu ist ein besonders guter Tänzer und er animiert auch andere, ihm gleichzutun, natürlich auch mich. Später habe ich auch noch Gelegenheit mit dem Ehrengast, Rene Ngongo zu sprechen, der, soviel ich weiß, den Alternativen Nobelpreis für seinen Einsatz zum Schutz des Regenwaldes bekommen hat. Er ist noch eine Weile in Bukavu und wir verabreden uns für ein Treffen in der nächsten Woche. So gegen 23 Uhr löst sich die Festgesellschaft auf und alle streben dem Heimweg zu. Die Hauptstraße vor dem Hotel, nachmittags durch permanenten Verkehrsstau verstopft, ist jetzt wie ausgestorben. Aus Sicherheitsgründen bringt ein Bus jeden Gast in einer Rundfahrt zu seinem Quartier, auch uns. Obwohl wir normalerweise nur wenige hundert Meter zu laufen gehabt hätten, wollte ich das zu dieser späten Stunde doch lieber nicht tun. Ich komme jedenfalls recht müde und vielleicht auch ein bisschen wackelig dort an. Ob ich beim Primus ein bisschen zu tief ins Glas geschaut habe?
Heute stehen für mich wieder einige Treffen mit unterschiedlichen Gruppenvertretern an. Am morgigen Freitag fahren wir nach dem Frühstück los nach Burhinyi, etwa 120 km südwestlich von hier. Für einige Tage sind wir dann wieder weit weg von Internet und elektrischem Strom. Vielleicht kann ich dann in der nächsten Woche noch etwas über die Ergebnisse von diesem Ausflug berichten.