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20.April.2020 │ Deutscher Bundesjugendring

Gemeinnütziger Sektor fordert Solidarität

Gemeinsam mit zahlreichen Organisationen und Expert*innen habt der Deutsche Bundesjugendring den Offenen Brief „Gemeinnütziger Sektor fordert Solidarität“ veröffentlicht.


In über 600.000 gemeinnützigen Organisationen engagieren sich mehr als 30 Millionen Bürger*innen. In der gemeinnützigen Sozialwirtschaft sind zudem über 3,7 Mio. Arbeitnehmer*innen beschäftigt. Freiwilliges Engagement ist systemrelevant und braucht unbedingt Unterstützung, um dauerhafte und strukturelle Brüche zu vermeiden. Der gemeinnützige Sektor ist von der COVID-19 Pandemie nicht weniger betroffen als die Wirtschaft: Denn Zivilgesellschaft bedeutet Verständigung, gemeinsames Wirken und Wirtschaften, Kooperation und Miteinander. Und genau das wird durch die aktuelle Pandemie wesentlich erschwert, wenn nicht in manchen Bereichen gar unmöglich gemacht.

Als Allianz von großen Dachverbänden und unabhängigen Organisationen aus dem gemeinnützigen Sektor sowie von Expert*innen und Wissenschaftler*innen begrüßt der Deutsche Bundesjugendring (dbjr) das nun entschlossene Handeln von Bund und Ländern sowie der Gesundheitsbehörden, um die Ausbreitung des Coronavirus so weit wie möglich zu verhindern.

Gleichzeitig fordern wir die Bundesregierung auf, nicht nur Sofort-Hilfe für die Wirtschaft, sondern auch für die Organisationen aus dem gemeinnützigen Sektor bereit zu stellen. Der Erhalt der für unsere Demokratie, den gesellschaftlichen Zusammenhalt und unseren Sozialstaat so wichtigen Zivilgesellschaft darf nicht aus dem Blick geraten. Gerade die Bewältigung von Krisen gelang in den letzten Dekaden immer dann am besten, wenn öffentliche, private und gemeinnützige Akteure im Schulterschluss ihre Kräfte bündelten.

Der Fokus muss daher auch darauf liegen, einschneidende negative Folgen durch die aktuelle Lähmung des öffentlichen Lebens in der Zivilgesellschaft zu verhindern. Dabei muss auch die Vielfalt zivilgesellschaftlicher Organisationen und zivilgesellschaftlichen Handelns bewahrt werden. Dafür braucht es staatliche Unterstützung.

Wir fordern Bund und Länder in ihren Zuständigkeiten daher auf,

  • gemeinnützigen Organisationen Zugang zu Mitteln aus Schutzfonds zu gewähren. Gemeinnützige Organisationen müssen ihre Mittel in erster Linie für ihre ideellen Zwecke einsetzen, sodass der Aufbau von Rücklagen nur eingeschränkt möglich ist. In Krisenzeiten reichen diese Rücklagen in keiner Weise aus, um Einnahmeausfälle zu kompensieren. Zudem leben zahlreiche gemeinnützige Organisationen auch von selbsterwirtschafteten Mitteln. Das gilt unter anderem für gemeinnützige Sozialunternehmen wie Jugendherbergen, Schullandheime und Jugendbildungsstätten sowie für Kultureinrichtungen wie Museen, Theater und soziokulturelle Einrichtungen. Vor diesem Hintergrund müssen alle gemeinnützige Organisationen Zugang zu Mitteln aus Schutzfonds haben, um die für ihre Arbeit notwendigen Strukturen aufrechterhalten und anpassen zu können.
  • den rechtlichen Handlungsspielraum, insbesondere im Gemeinnützigkeits- und Stiftungsrecht zu erweitern. Wir begrüßen die Verwaltungsregelungen des BMF vom 09.04.2020, mit denen bereits einige notwendigen Erleichterungen im Gemeinnützigkeitsrecht vollzogen wurden. Diese Regelungen reichen jedoch noch nicht aus. Im Gemeinnützigkeitsrecht fehlen noch notwendige Regelungen für bestehenden Zuwendungs- und Fördervereinbarungen für Projekte/Veranstaltungen, die nicht stattfinden können. Gelder, die von Seiten der Fördergeber nicht zurückgefordert werden, dürfen nicht wegen Mittelfehlverwendung von Seiten der Finanzverwaltung sanktioniert werden. Schließlich sind nach wie vor Verwaltungsvorschriften zu Anpassungen hinsichtlich Projektlaufzeiten, Personalkosten und Verwendungsnachweisen bei bestehenden Fördervereinbarungen zwischen staatlichen Stellen und gemeinnützigen Organisationen dringend erforderlich. Nicht zuletzt bedarf es im Stiftungsrecht Regelungen und die Mitwirkung der Stiftungsaufsichten, damit Stiftungen ohne stiftungsrechtliche Einschränkungen aktiv und effektiv Corona-Hilfe leisten können.
  • grenzüberschreitende COVID-19 Hilfen zu ermöglichen. Für die Solidarität und den Zusammenhalt in Europa wäre es ein starkes Signal aus Deutschland in die EU, wenn die Bevölkerung, die Wirtschaft und die zivilgesellschaftlichen Akteure schnell und einfach Spenden, Fördermittel und auch Sachleistungen in die vom Corona-Virus betroffenen Regionen der EU erbringen können und dies steuerlich anerkannt werden würde. Darüber hinaus müssen die zivilgesellschaftlichen Akteure der humanitären Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit in die Lage versetzt werden, mit ihren Partnern Projekte zur Bekämpfung der Folgen von COVID-19 umzuplanen und umzusetzen.
  • Digitalisierungsmaßnahmen im Dritten Sektor finanziell zu fördern. Zivilgesellschaftliches Leben aufrechtzuerhalten gelingt gegenwärtig in weit überwiegendem Maße nur auf digitalem Weg. Die Digitalisierung der Zivilgesellschaft ist jedoch in Teilbereichen deutlich weniger entwickelt als in der Wirtschaft. Wir fordern die Bundesregierung daher auf, möglichst rasch und unbürokratisch finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen, die von gemeinnützigen Organisationen für Digitalisierungsmaßnahmen und damit die Aufrechterhaltung ihrer Funktionsfähigkeit genutzt werden können.
  • Forschungsmaßnahmen zu den Folgen der Pandemie in der Zivilgesellschaft zu fördern. Um mögliche Auswirkungen auf und Schäden an der Zivilgesellschaft durch die aktuelle Krise frühestmöglich zu erkennen und entgegenwirken zu können, sollte die Bundesregierung Forschungsmaßnahmen aufsetzen und den Dialog mit Akteuren der organisierten Zivilgesellschaft suchen. Wir müssen jetzt lernen, wie künftig durch zielgerichtete Maßnahmen der gemeinnützige Sektor als tragende Säule der Gesellschaft in gesellschaftlichen Krisensituationen wie dieser geschützt werden kann.

Für eine konstruktive Mitwirkung stehen wir gerne als Expert*innen aus der Praxis sowie der Wissenschaft zur Verfügung. Dies gilt auch für die Zeit nach der Pandemie, in der es dann darum gehen wird, Erfahrungen und Erkenntnisse auszuwerten und für die Zukunft in ausreichendem Umfang vorbeugende Maßnahmen zu treffen.

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