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28.Februar.2012 │ Lernen -Helfen - Leben e.V.

Brief aus Addis Abeba - von Felsenkirchen, Solaranlagen und Luftbildern

Teezeremonie hoch über Addis Abeba im Gebirge

Teezeremonie hoch über Addis Abeba im Gebirge

junge Schuhputzer am Werk in Addis Abeba

junge Schuhputzer am Werk in Addis Abeba

Felsenkirchen in Lalibella

Felsenkirchen in Lalibella

Felsenkirchen in Lalibella

Felsenkirchen in Lalibella

Felsenkirchen in Lalibella

Felsenkirchen in Lalibella

Felsenkirchen in Lalibella

Felsenkirchen in Lalibella

Felsenkirchen in Lalibella

Felsenkirchen in Lalibella

Hier beginnt wieder Europa: Der schneebedeckte Ida-Berg auf Kreta

Hier beginnt wieder Europa: Der schneebedeckte Ida-Berg auf Kreta

Ida-Berg auf Kreta

Ida-Berg auf Kreta

Nach dem Frühstück holte mich J. Im Hotel ab. Er hat einen etwas wackeligen und klapprigen Wagen gemietet und will mir noch einige Quartiere seiner Heimatstadt zeigen.


Donnerstag, 23. Februar 2012

Doch zunächst fahren wir zum Hilton-Hotel. Hilton-Hotel? Ja, da ist das Büro der Fluggesellschaft. Du sollst morgen noch Lalibella fliegen und dort die Felsenkirchen sehen. Mehr verrät er mir nicht. Die Flugbuchung geht flott voran und ist gar nicht teuer. Hier in Deutschland hätte ich dafür drei- oder viermal soviel bezahlt. Aber dafür soll ich morgen schon früh aufstehen und um 5 Uhr am Flughafen sein. Nach der Buchung fahren wir raus auf einen der umliegenden Berge mit herrlicher Aussicht auf die Stadt. Dort ist auch ein winziger Kaffeestand, d.h. man sitzt auf kleinen Hockern und bekommt den traditionell zubereiteten Mokka gereicht mit ein paar wohlschmeckenden Körnern als Knabberei. Der Blick schweift auf die Berge rundrum, die sämtlich mit Eukalyptuswäldern bedeckt sind und dann runter auf die Ebene in der die riesige Millionenstadt Addis Abeba liegt mit ihren Hochhäusern, Wohn- und Elendsvierteln. Die Eukalyptuswälder sind jetzt in der Trockenzeit ein weiterer Grund für die Wasserknappheit. Im Hotel hatte ich gestern kein fließendes Wasser. Heute früh hatte ich Wasser, stellte mich flugs unter die Dusche und war von Kopf bis Fuß eingeseift als – wieder kein Wasser aus der Dusche kam, tja, das tröpfelte noch und ich stand und wartete und wartete. Da war nichts zu machen. In der warmen Luft trocknete alles sehr schnell und für den Rest des Tages duftete ich nach Seife. Solch ein Pech aber auch. Oder nicht? Seife riecht doch immer noch besser als ein verschwitzter Körper, oder? 

Bei unserer Fahrt zurück begegnen uns unzählige Frauen mit riesigen Bündeln von gut 2 Meter breiten Eukalyptusreisigen auf dem Rücken – und immer wieder Gruppen von Eseln, die für ihre Herren, oft auch Kinder, alle möglichen Lasten zu tragen hatten. Zwischendurch auch mal eine Schaf- oder Ziegenherde. 

Wir fahren zu einem winzigen Restaurant mit ausschließlich äthiopischer Küche, das garantiert ansonsten nicht von Europäern aufgesucht wird. Wir sitzen dort auf der Terrasse unter Bäumen und beobachten den Straßenverkehr. Serviert wird uns die äthiopische Fastenspeise. Hier hat schon am Montag die vorösterliche Fastenzeit begonnen und das wird auch von den Restaurants respektiert. Wie überall in Afrika wird mit den Händen gegessen, die vorher natürlich zu waschen sind und zwar essen alle von einem großen gemeinsamen Teller. Unterlage ist das äthiopische sehr dünne, braune, weiche Fladenbrot mit seinem eigentümlichen Geschmack, darauf verteilen sich verschiedene Gemüsesorten, ein paar Kartoffeln, Linsen und Soucen, alles recht scharf gewürzt mit Pili-Pili und Peperoni. Und anschließend gibt’s nochmal einen Mokka, frisch zubereitet gleich vor Ort und zwar von der grünen Kaffeebohne, die unter unseren Augen auf Holzkohle geröstet, dann zerrieben werden und dann wird der Aufguß serviert. Einfach köstlich! Wer will, kann diesen Mokka mit reichlich Zucker geniessen. 

Anschließend möchte mir J. noch den „größten Markt Ostafrikas“ zeigen – und fordert mich dort auf, bloß gut auf meine Habseligkeiten, darunter Paß, Kamera und Geld in meinen Hosentaschen aufzupassen, hier seien viele Diebe unterwegs. Inzwischen war noch ein Freund von J. zugestiegen, der uns eine große Hilfe geworden ist. Als wir nämlich das Auto parken wollten, stellten wir ein Problem fest. Das Kühlwasser kocht. Mit unseren leeren Wasserflaschen holen wir erstmal in einem der benachbarten Läden Leitungswasser und füllen nach. Dann kümmert sich der Freund um den Wagen und J. läuft mit mir durch den Basar. Dicht an dicht die Händler: Textilien, Schmuck, Kunstgegenstände, Schuhe, alles wird zum Verkauf angeboten und die engen Gassen in den überdachten Hallen sind voller Menschen. Wir werden zum Kauf angehalten und J. findet tatsächlich für seinen kleinen zweijährigen Neffen einen schicken Leinenanzug mit traditionellem Muster – und zahlt dafür umgerechnet rund 8 Dollar, nachdem er den Preis noch etwas runtergehandelt hat. 

Wir kommen zurück zum Auto. Der Freund hatte noch keinen Erfolg. Der Wagen will einfach nicht mehr anspringen. Glücklicherweise ist die Strasse etwas abschüssig. Aber auch neue Versuche beim langsamen Runterrollen helfen nicht. Der klapprige Toyota, dessen Seitentür ich nur von außen bei runtergekurbeltem Fenster geöffnet bekam, will einfach nicht mehr. Weder schieben noch Gasgeben hilft. An einer Straßenecke wird die Kühlerhaube geöffnet und schnell sind wir von selbsternannten Autoexperten umgeben, welche in guten Ratschlägen wetteifern. Aber auch andere Elemente schauen in den Kühler. Plötzlich schreit J. einen Jugendlichen an und mir-nichts-dir-nichts  befinden sich beide mitten in einer Keilerei. Immer mehr Gaffer bleiben stehen, auch einige Polizisten kommen herbei, die sich alles seelenruhig anschauen. J. fordert die Polizisten auf einzugreifen. Er habe gesehen wie dieser junge Mann ein wichtiges Teil im Wert von fast 50 Dollar aus dem Kühler geklaut habe. Die Polizei könne ihn (wegen der Prügelei) und den anderen (wegen des Diebstahls) mit auf die Wache nehmen. Aber die Staatsgewalt denkt nicht daran. Ich muß J. Immer wieder vom Geschehen fortziehen und beruhigen. Rundrum gibt’s heftige Diskussionen und plötzlich ist das Teil wieder da. J. bedankt sich, entschuldigt sich bei dem anderen für die Prügel und die beiden versöhnen sich öffentlich, umarmen sich, schütteln sich die Hände und alle sind erleichtert. Der Wagen muß aber stehen bleiben und später abgeschleppt werden. J. nimmt mich mit zu einem Taxi und wir fahren zurück zum Hotel. Er sagt mir, in Addis stünden manche Polizisten mit den Dieben unter einer Decke, deshalb sei von ihnen nicht viel zu erwarten. Er habe genau gesehen wie diese Person das Teil geklaut habe. Deshalb sei er sich so sicher gewesen. Später zeigte er mir weitere Prügeleien, eine am Rande einer Straßenkreuzung. Alltag in Addis? Bei uns immerhin mit halbem „happy end“ und Versöhnung auf äthiopisch. Der Besitzer des Autos hat dies übrigens später abgeholt und repariert, sodaß ich damit am Samstag wieder abgeholt werden konnte – ohne nochmal extra dafür bezahlen zu müssen. 

Freitag, 24. Februar 2012  

Eigentlich sollte mich das Schrottauto heute früh noch um 5 Uhr zum Flughafen bringen, stattdessen erklärte sich der junge Hotelmanager bereit, mal extra früh aufzustehen und mich dahin zu bringen, was auch pünktlich funktionierte. 5 Uhr in Addis bedeutet 3 Uhr bei Euch in Deutschland. Ich wurde im Inlandbereich des Flughafens eingecheckt und plötzlich saß ich neben einem Bischof der äthiopischen Kirche, der viel über mich wissen wollte, mir aber seine Funktion partout nicht verriet. Schon vorher war mir aufgefallen, dass ihn alle Flughafenmitarbeiter sehr ehrerbietig behandelten. Er wollte nach Gondar fliegen, einem der geistlichen Zentren des Landes und ehemalige Hauptstadt. Für mich war das eine Zwischenlandung dort. Ich sollte noch weiterfliegen nach Lalibella. 

Äthiopien hatte drei mittelalterliche Hauptstädte. Die älteste ist Axum, ganz im Norden des Landes, danach, im 12. Jahrhundert gabs ein Herrschergeschlecht von Priesterkönigen, die Lalibella zur Hauptstadt machten - wo ich heute hinflog - und im 15. oder 16. Jahrhundert wurde dann Gondar das Zentrum. Addis Abeba ist erst Ende des 19. Jahrhunderts, kurz vor dem Versuch der Kolonisation durch die Italiener von einem neuen Kaisergeschlecht zur Hauptstadt erhoben worden.  Das Propellerflugzeug glitt in geringer Höhe über das felsige abessinische Hochland mit der Besonderheit, daß die Felsen oben nicht spitz sind, wie in den Alpen, sondern jeweils eine große Hochebene haben, welche dann immer wieder durch sehr tief zerklüftete Täler durchschnitten sind. Diese Hochebenen sind fruchtbar und bewohnt. Jetzt in der Trockenzeit ist alles braun in braun und fast kein Baum oder Strauch ist zu sehen. Die einst waldreiche Gegend ist komplett abgeholzt. Einzige Ausnahme bilden kleine Haine und jedesmal ist in einem solchen Hain dann auch eine der charakteristischen äthiopischen Rundkirchen deutlich zu sehen.  

Am Flughafen von Lalibella wartet schon Tesfaye auf mich und wir fahren in einem Taxi-Toyotabus mit anderen Gästen ungefähr 25 km durch eine komplett ausgetrocknete Landschaft. Im breiten Flußbett neben der Landebahn fliesst nur noch ein kleines Rinnsal, die Seitenbäche sind fast alle komplett ausgetrocknet. Überall trockene Felder. Wenn in Europa die Landwirtschaft im Winter ruhen muss, so ist das in Äthiopien die Trockenzeit, die keinen Anbau erlaubt. Bei besonders ausgedehnten Trockenzeiten ist in den letzten Jahren immer wieder auch mal eine größere Hungersnot mit vielen Todesfällen ausgebrochen. Die Straße windet sich in Serpentinen eine felsige Bergkette hoch bis zum Paß. Dann geht’s wieder runter, links fällt alles steil ab, kein Zaun, keine Mauer, der Fahrer darf nicht mal gerade ausweichen wollen. Deshalb wird in den Kurven kräftig gehupt. Dann kommen wir nach Lalibella, einem ausgedehnten Ort mit vielleicht 25.000 Einwohnern, vielen touristischen Einrichtungen und Schulzentrum der Gegend. Der Ort wirkt etwas grüner. Offensichtlich wurde hier in den letzten Jahren ein wenig aufgeforstet – und zwar nicht mit Eukalyptus. 

Lalibella war – wie schon erwähnt – vor über 800 Jahren die Hauptstadt des Königreichs Äthiopien. Dort herrschten über 4 Generationen hinweg Priesterkönige. Der berühmteste Priesterkönig ist im Alten Testament erwähnt und heißt Melchisedek. Vielleicht fühlten sich die Fürstbischöfe im deutschen Mittelalter auch als „Priesterkönige“. Im Unterschied zu diesen führten jene von Lalibella jedoch keine Kriege sondern bauten wunderschöne Felsenkirchen, elf an der Zahl, die teilweise miteinander verbunden sind. Der erste dieser Priesterkönige hieß Lalibella und kam von einer Wallfahrt ins Heilige Land nach Jerusalem mit der Idee des „Kalvarienberges“ zurück nach Äthiopien und bildete dort dann nicht nur  die Hinrichtungsstätte Jesu nach, sondern gleich Jerusalem und auch das Jordantal liess sich leicht integrieren. Und so wurde mit den elf Felsenkirchen eine Art „neues Jerusalem“ in Lalibella errichtet. Die Gegend ist reichlich felsig, man arbeitete sich jedoch nicht von der Seite in einen Felsen hinein, wie man das von Kapadokien in der heutigen Türkei kennt, sondern – von oben nach unten. Erstmal wurde ein Quader von oben nach unten in den Felsen gemeisselt und dabei müssen Unmengen an Gestein dort herausgeholt werden. Also, ein rundes, tiefes Loch, in der Mitte der Quader und dieser wurde allmählich ausgehöhlt und zu einer einst sicherlich wunderschönen Kirche gestaltet, bei der alles aus „einem Guss“ oder eben aus einem einzigen Felsen ist, die Säulen, die Wände, die Decke... Damit das „Loch“ bei Regen nicht voll Wasser läuft, wurde ein ausgeklügeltes Entwässerungssystem in die Felsen gehauen mit teilweise unterirdischen Gängen und Wegen für die Gläubigen, womit viele der elf Kirchen, die übrigens inzwischen auch als UNESCO-Weltkulturerbe eingetragen wurden, miteinander verbunden sind. Wir gehen am Nachmittag ehrfurchtsvoll durch alle diese elf Kirchen. Draußen ist eine brütende Hitze von vielleicht 40 Grad Celsius, aber hier unten ist alles angenehm kühl und einige der Kirchen haben nebenan auch „heilige Teiche“, also Wasserquellen fanden sich, mit grünen Pflanzen drin. Alle diese Kirchen sind in Betrieb und stellen für Äthiopien wichtige Wallfahrtsorte dar. Wir sehen Priester und Gläubige, letztere umhüllt mit den weißen Tüchern, die zum Kirchgang übergezogen werden, Mönche sind durch ihre gelben Tücher zu erkennen. In einer Kirche übt der Chor den eigentümlichen Singsang, begleitet vom dumpfen Schlag einer Trommel, zahlreichen „Rasseln“ und Stockschlägen, die alle eine symbolische Bedeutung haben. Die Stockschläge auf den Boden symbolisieren z.B. die Leiden Christi. Links sitzen die Frauen auf dem Boden und hören andächtig zu, rechts die Männer, manche knien dort. Der Raum duftet nach Weihrauch, aber auch der dezente Geruch der vielen Menschen, dicht an dicht erinnert daran, daß wir kein Museum besuchen... Wir, die „Touristen“ dürfen über sie  hinwegsteigen und die verschiedenen Teile der Kirche bewundern. In früheren Jahrhunderten waren auch noch alle Felswände bunt bemalt. Heute finden sich davon noch Reste. Anders als in den westlichen Kirchen kennt die äthiopische Kirche keine Restaurierung von Ikonen. Diese werden von zeitgenössischen Künstlern immer wieder aktuell angefertigt. Der Gesang in der eigentlichem und mindetens anderthalb Jahrtausend alten Kirchensprache Ge'ez ist mit keiner europäischen Kirchenmusik vergleichbar.

Schon am Spätnachmittag bin ich todmüde und zurück im Hotel gibt’s zum Abendessen Gemüse und Reis, das Fastengericht. Dusche, Wasserhahn und Toilettenspülung im Touristenhotel funktinieren nicht. Lalibella hat im Moment kein Wasser. Ich muß mir an einer Wasserstelle im Hofe einen Eimer Wasser holen. Zwar ist alles für europäische Gäste geradezu fürstlich eingerichtet, aber in dieser ausgetrockneten Landschaft ist Wasser ungeheuer kostbar. Wir sind im Hotel noch privilegiert, denn später kam wieder etwas Wasser aus der Leitung. Draußen im Dorf leben die Menschen ohne fließendes Wasser in den Hütten. Dieses muß von einzelnen Wasserstellen in Kanistern nach Hause getragen werden.

Samstag, 25. Februar 2012

Wer früh schlafen geht ist früh wach und so konnte ich morgens um 6 den Sonnenaufgang über Lalibella bewundern. Aber draußen war's noch lausig kalt, denn so heiß die Tage da auf 2.500 Meter Höhe sind, so kalt sind die Nächte. Die Leute laufen morgens alle eingehüllt in den traditionellen weißen Tüchern rum, viele eilen zum Morgengottesdienst in eine der vielen Kirchen. Auch ich mache mich auf den Weg dahin und werde unterwegs von zwei Jungs angesprochen, 17 und 18 Jahre alt, Schüler, ebenfalls eingehüllt in diese weißen Tücher. Einer wollte Medizin studieren, wenn er die Schule beendet hat, der andere würde gerne Diakon der äthiopischen Kirche werden. Sie seien immer „glücklich“, wenn sie in der Kirche sein können. Sie gingen gerne und jeden Tag vor der Schule zur Kirche. Sie wohnten alleine in Lalibella, teilten sich einen Raum, ihre Eltern lebten weit draußen auf dem Land und könnten sie auch nicht für ihre Ausbildung unterstützen, die sie sich somit selbst finanzieren müssten. Fürs Schuheputzen bekämen sie von Touristen 3 Birr (umgerechnet 16 Dollarcent). Sie müssten zusammen 120 Birr Miete im Monat aufbringen (ca. 7 Dollar). Später, auf dem Rückweg, zeigten sie mir ihre Behausung – ein Bretterverschlag, vielleicht 1,80 x 1,80 Meter, fast völlig ausgefüllt von ihrem Schlaflager. Statt Schrank lagen die bescheidenen Kleidervorräte in einer Ecke, in der anderen die Schulhefte. An der Wand zwei große Kalenderblätter aus einem der Vorjahre. Die Tür war durch ein großes Vorhängeschloß gesichert, vor der Hütte eine dürftig überdachte Kochstelle, für die sie noch Holz oder Holzkohle besorgen mussten, d.h. sowas muß auch auf dem Markt gekauft werden. Ja, das Wellblechdach sei immerhin regenfest. Ich war schlicht sprachlos. Hier auf diesen vielleicht 3 ½ qm leben zwei Jugendliche, die ihren Seelenfrieden haben, recht fröhlich sind und ein gepflegtes Englisch sprechen. Nebenan wohnte der Besitzer der Hütte mit seiner Familie. Sie hatten etwas, aber nicht sehr viel mehr Platz. Das Leben spielt sich draußen ab, nicht in der Hütte, die nachts und bei Regen benötigt wird. Diese Jungs müssen sich gemeinsam durchschlagen, machen einen aufgeräumten, sauberen Eindruck, gehen täglich zur Kirche, weil sie das „glücklich“ mache und leben in solch einem Bretterverschlag, kleiner als ein Hühnerstall. Ich frage sie, obs denn in dieser Gegend wenigsten holzsparende Öfen gäbe, damit weniger Geld für Brennholz benötigt werde? Sie hatten davon noch nichts gehört. Auch in meinem Hotel wußte man nichts von so was. 

Das Hotel ist der komplette Kontrast, eine europäische Insel in dieser Hüttenwelt – wenn nicht das Wasserproblem wäre, unter dem alle leiden. Als wir später auf unseren Kleinbus warten, der uns wieder zurück zum Flughafen bringen sollte, stand da auch eine Gruppe von Damen aus Australien, England, Kanada und den USA und eine von ihnen gab ihren Unmut kund. Sie habe nicht wenig für gewisse Leistungen bezahlt, die hier im Hotel nicht erbracht worden seien. Bei diesen Hotelpreisen könne man wirklich fließendes Wasser und eine funktionierende Toilettenspülung erwarten. Sie fand jedenfalls unmöglich, dass sie mit einem Eimer ihre Toilette habe spülen müssen. Die Wassereimer hatten am Vorabend, wie ich sehen konnte, Hotelangestellte in ihre Zimmer gebracht. Auch mit meinem Eimer wollte sich einer abmühen, dann trugen wir ihn gemeinsam, was ihn sichtlich freute. 

Jetzt fühlte ich mich berufen meine Meinung zu sagen, nämlich, daß eigentlich in dieser Gegend jeder Tourist verpflichtet werden müsse, ein paar Bäume zu pflanzen und das Wasser selbst zu schleppen. Die Damen schauten mich an als verstünden sie „Bahnhof“. 

Als der Kleinbus endlich kam, fuhren wir wieder zurück zum Flughafen. Der Fahrer hatte dauernd zu hupen, weil jetzt unzählige Menschen auf dem Weg nach Lalibella waren. Heute ist Markttag und alle möglichen Lasten wurden herbeigeschleppt und dazu reichlich Vieh aufgetrieben, Schafe, Ziegen, Kühe. Frauen trugen Holz zu Markte, Esel hatten reichlich Säcke zu tragen, zwei Männer schleppten ein lebendes Schaf kopfunter, jeder zwei der Beine in der Hand – das Tier dürfte schon vor dem Besitzwechsel und Schlachten bewußtlos gewesen sein. Andere Männer trugen an langen Stangen die ausgetrockneten Häute von Schafen und Ziegen zum Ledergerben auf den Markt. Auf der Straße war also richtig was los. 

Im Flughafen dann wieder die „große Welt“ der internationalen Fluggesellschaft des Landes: doppelte Kontrollen, Schuhe, Gürtel, Armbanduhr, Kamera, Geldbörse in die viereckige Plasticschüsse, dazu Schuhe und Hut. Dann durch den Detektor laufen, nochmal Körperkontrolle, das alles zweimal hintereinander, erst beim Eintritt ins Gebäude, dann nach dem Check-in nochmal. Dann warten auf das Flugzeug.

In Addis wartete schon J. auf mich. Wir fuhren wieder in „unser“ kleines Restaurant, aßen eine Kleinigkeit, wieder eine Fastenspeise und dann zeigte er mir die Innenstadt von Addis: Hochhäuser, große Banken, ein Theater, auch Straßencafés, fast wie jede andere Millionenstadt in der Welt – wenn da nicht die vielen Bettler gewesen wären. Unzählige Straßenkinder, vielleicht 5, 6 oder 7 Jahre alt hielten ihre Hände auf. Andere, etwas ältere, versuchten sich mit Kleinhandel, boten z.B. Zuckerstangen an, oder ein Wörterbuch „English-Amharic“, um selbst etwas zu verdienen.  Ganze junge Familien sitzen da mit Kleinkindern, die in der Hitze auf dem Bürgersteig krabbeln – und betteln. Nein, Suppenküchen oder irgendeine Armenfürsorge gebe es in Äthiopien nicht, wurde mir gesagt. Früher, während der Hungersnöte, sei noch viel mehr gebettelt worden... 

Dann fahren wir in einen anderen Stadtteil und J. zeigt mir die Slums. Er wage sich selbst im geschlossen Auto nicht durch diese Straßen zu fahren, erklärt er mir. Ich stelle allerdings nüchtern fest, dass im Vergleich zum Kongo die Slums von Addis noch einen Akzent „edler“ sind, sage das aber nicht. Später gehen wir dann noch durch das „Recyclingviertel“, wo wirklich alles, aber auch alles „Gebrauchte“ zu haben ist, sozusagen ein riesiger Flohmarkt. 

Am Abend, zurück im Hotel, muß ich packen. Morgen früh geht’s wieder zum Flughafen und dann heißt's Abschied nehmen von Afrika. Der Rückflug nach Deutschland beginnt.

Sonntag, 26. Februar 2012

Diese Zeilen schreibe ich im Flugzeug, während wir das Mittelmeer überqueren und die bewölkte Winterwelt Europas beginnt. Schon früh morgens um 7 kommt J. Ich sitze gerade beim Frühstück. Der nette Hotelmanager bringt uns kurz später wieder zum Flughafen. 

Er hat in jedem Zimmer doch tatsächlich einen elektrischen Heißwasserboiler hängen, der ständig mit Strom aufgeheizt glühend heisses Wasser bereit hält. Ich habe jedesmal in den beiden Zimmern, die ich bewohnte, als erstes den Stecker rausgezogen und jetzt nehme ich die Gelegenheit wahr und frage den Manager, ob dieser Service für seine Gäste ihm nicht etwas sehr hohe Stromrechnungen produziere? O ja, antwortet er, furchtbar hohe Stromrechnungen habe er. Aber wieso stelle er das nicht um auf die thermosolare Warmwasserbereitung – bei soviel Sonne in Addis? Das Hotel hat mindestens vier Stockwerke und dazu ein Flachdach. Da liesse sich solch eine Anlage bequem unterbringen. Selbst wenn er pro Jahr ein Stockwerk umstelle, so werde dies gewiß seine Stromrechnung erheblich reduzieren... Er fand den Gedanken interessant. Allerdings ist – anders als in den Mittelmeerländern – die thermosolare Warmwasserbereitung hier noch nicht verbreitet. Ich konnte ihm jedoch eine Firma nennen, die ihm mal eine Kostenanalyse liefern kann. Als Fremder sieht man manchmal Dinge, an die Einheimische gar nicht mehr denken.

Am Flughafen verabschieden wir uns. Ich muss durch die Kontrollen und sitze 2 Stunden später im Flieger nach Frankfurt. Hier könnte ich jetzt schließen – wenn ich nicht ganz hinten im Flugzeug einen Fensterplatz hätte, mit Blick Richtung Westen, durch den ich jetzt in die Welt da unten schauen kann und die war in Äthiopien, im Sudan und in Ägypten praktisch wolkenfrei. Da frühere Flüge entweder nachts stattfanden, in der Regenzeit oder ich keinen Fensterplatz hatte, sah ich nun zum erstenmal  die riesige Wüstenlandschaften der Sahara – und das wirklich beeindruckende war dann der gewaltige Nilfluss, der sich über Tausende von Kilometern da durch schlängelt und den wir immer wieder überquerten, zu beiden Seiten des Flusses Wüste und ab und zu höchstens ein ganz schmaler grüner Streifen. Und dann kam der gewaltige Assuanstaudamm, der diesen größten Strom Afrikas für weit über 100 km staut – rundrum auch nur Wüste oder jedenfalls jetzt in der Trockenzeit eine braune, ausgetrocknete Landschaft. Und die Wüste ist nicht einfach nur Wüste, sondern sehr abwechslungsreich, größere Felsengebirge, kleinere Erhebungen und ganz deutlich war zu sehen, daß die großen Standstürme offenbar immer die West-Ost-Richtung haben (oder umgekehrt). 

Schließlich kamen lauter kleine „Schäfchenwolken“ und dann das wolkenfreie Mittelmeer. Doch schon über Kreta begann eine dichte Wolkendecke, aus der der dortige 2.500 Meter hohe Ida-Berg schneebedeckt herausragte. Wir waren in der europäischen Welt des Winters angekommen. Die wunderschöne Mutter Erde hüllte sich danach fast nur noch in Wolken. Venedig war mal kurz wolkenfrei zu sehen. Im Handgepäck hatte ich gleich zwei Pullover und eine Jacke, die ich sicher nachher in Frankfurt brauchen werde. 

Bald sind überaus erlebnisreiche Wochen in Afrika zu Ende. In den kommenden Wochen werde ich einiges tun müssen, damit ich unseren afrikanischen Freunden keine leeren Versprechungen gemacht habe. Zumindest die Aufforstungen und die Umweltschutzprojekte müssen weitergehen. Mit holzsparenden Öfen muß der Holzbedarf begrenzt werden und einiges andere ist nötig. Wenn wir in den nächsten Monaten genügend Spenden bekommen, können damit einige Zuschüsse beantragt werden, damit all dies möglich wird – und eigentlich müßten die Baumschulen schon im Juli beginnen können. Ob dies klappt? 

Wir werden hier gelegentlich über den Fortgang weiter berichten.

Vielen Dank allen, die in den letzten Wochen geduldig diese Tagebucheintragungen gelesen haben. Diesmal hatte ich dank Laptop-Nutzung und einem guten Internetzugang in Bukavu bessere Bedingungen etwas zu schreiben als früher.

Heinz Rothenpieler

 

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