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Uvira, Montagmorgen, 29. August
Dicke Wolken am Himmel. Eigentlich haben wir noch keine Regenzeit. Kurz nach 9 sitzen wir mit Sack und Pack im Auto von Matthew und fahren Richtung Grenze zu Burundi. Und plötzlich beginnt\\\\\\\\\'s in Strömen zu regnen. Eigentlich müssen wir nur wenige Kilometer bis zur Grenze fahren, aber im Kongo gehts wie üblich über tiefste Schlaglöcher, die sich im Nu in Matsch verwandeln. Links und rechts militärische Anlagen, die UNO-Soldaten aus Pakistan bewachen sich selbst martialisch. Man sieht sie überall mit den Militärautos rumfahren, was sie wirklich machen, ist nicht ganz klar. Klar ist, daß sie für Nachwuchs bei kongolesischen Frauen sorgen und daß Pakistan dafür sorgt, daß entlang des Kivusees auf den Dörfern wo früher nur Christen lebten, Moscheen gebaut werden.
Dann die Grenze. Wir müssen ein paar Meter zum kongolesischen Grenzposten laufen und werden gut nass. Dort warten viele Kongolesen auf ihren »Laisser passé«, welchen sie neben ihrer Wahl-Registrierungskarte, der als Personalausweis gilt für die Einreise nach Burundi benötigen. Kostenpunkt: 2 Dollar. Immerhin benötigen umgekehrt die Burunder, die in den Kongo reisen, auch sowas. Ausländer müssen hier ausnahmsweise mal elektronisch registriert werden und wie üblich werde ich nach meinem Beruf gefragt: »Pädagoge«. Ok. Weiter gehts nicht, denn jetzt fällt auch hier der Strom aus. Nichts geht mehr. Der Beamte geht nach draussen, ein Generator wird angeworfen. Der Computer kann wieder hochgefahren werden und wir bekommen unsere Pässe zurück mit einem weiteren Stempel.
Dann laufen wir zu Fuß rüber zur burundischen Seite. Dort muß ein Transitvisum (de.wikipedia.org/wiki/Visum) beantragt werden. Dies kostet 40 Dollar, die erst bezahlt werden müssen. Hier scheinen die Damen das Geld zu verwalten und dann bekommen wir von Männern den Stempel in den Pass und können wieder zum Auto gehen.
Die Fahrt zum Flughafen dauert dann nicht mehr so lange wie der Aufenthalt an der Grenze. Ein paar Stunden später sitzen wir im Flugzeug nach Addis Abeba. Neben uns viele Familien, offenbar auf Rückreise nach Ferienende. Unter uns gewaltige Wolkenberge: Auch hier kündet sich die Regenzeit an. Zur Zwischenlandung in Nairobi durchstösst das Flugzeug ganze Wolkenberge, die wie eine Lasagne geschichtet sind. Darunter ist endlich - die kahle, abgeholzte Landschaft rund um Nairobi zu sehen, nach der langen Trockenzeit noch braun in braun. In Nairobi wird das Flugzeug richtig voll. Fast alles »Safari-Touristen«. Vor mir ein Quintett junger englischer Damen, die nach dem Genuss von einem Glas Wein noch mehr kichern als vorher. Nervt ein bißchen. Nebenan zwei Chinesinnen. Zufällig sehe ich: Reiseziel Peking. Wirklich, überall in Afrika finden sich inzwischen Chinesen, die bei der lokalen Bevölkerung alles andere als beliebt sind....
Im Flugzeug habe ich Zeit mich auf ûthiopien vorzubereiten. Dazu hilft das Magazin der Fluggesellschaft mit einigen Informationen. So lerne ich und das fasziniert mich geradezu daß ûthiopien eine ganz andere Zeitrechnung hat als die Industrieländer. Man folgt noch dem julianischen Kalender (de.wikipedia.org/wiki/Julianischer_Kalender) und der »hinkt« 7 Jahre hinter dem gregorianischen (de.wikipedia.org/wiki/Gregorianischer_Kalender) hinterher. Wir schreiben also das Jahr 2004. Papst Gregor hatte im 16. Jahrhundert die nach ihm benannte Kalenderreform in der katholischen Welt durchgeführt seinerzeit gegen viel Widerstand - , doch die orthodoxen Länder, darunter ûthiopien, sind dem nicht gefolgt. Während aber z.B. Russland dann eine »gemäßigte« Kalenderreform einführte, sodaß dort der julianische Kalender »nur« 13 Tage hinter dem gregorianischen hinterherhinkt, sind das in ûthiopien inzwischen halt 7 Jahre. Dazu hat jeder Monat schlicht nur 30 Tage, wie bei der Zinsberechnung der Banken in Deutschland. Da aber auch in ûthiopien das Jahr 365 und manchmal 366 Tage hat, so gibts der Einfachheit halber einfach einen 13. Monat, der nur 5 Tage hat, im Schaltjahr 6 Tage. Das Jahr endet dann nach diesem 13. Monat. Aber nicht am 31.12., sondern der August ist der 12. Monat. Der äthiopische 30. August ist folglich »unser« 5. September. Dann folgt der 13. Monat und dem der 1. September. Das ist bei uns im Westen der 11. September, mein Rückflugtag. Genau dann ist also in ûthiopien Neujahr. Ich »lande« also demnächst in einer ganz aufregenden Jahreszeit in ûthiopien...
Montagabend, 29. August 2011
Mit einer Stunde Verspätung landen wir am späteren Abend in Addis. Gegenüber unserer Sommerzeit eine Stunde Zeitverschiebung. Die Visabeantragung und die Zollabfertigung ist ganz unkompliziert. Die Gepäckausgabe ebenfalls: Ganze drei Gepäckstücke liegen auf dem Band, das zweite war mein Rucksack. Offenbar hatten alle anderen in dem vollbesetzten Flugzeug ein anderes Reiseziel. Der Bole-Flughafen ist eine große Verkehrsdrehscheibe...
Draussen werde ich schon erwartet und wir fahren rasch in den Trubel der Millionenstadt im abessinischen Hochland (de.wikipedia.org/wiki/Hochland_von_Abessinien). Die meisten Strassenschilder kann ich nicht lesen. ûthiopien hat nicht nur eine uralte Kultur, sondern auch eine eigene Schrift (de.wikipedia.org/wiki/ûthiopische_Schrift). Die wichtigste Sprache ist amarigh. Zwar sind in der Innenstadt viele Schilder auch auf englisch, aber nicht in den Außenbezirken und schon gar nicht bei den vielen kleinen Geschäften...
Addis Abeba, Dienstag, 30. August 2011
Mein Freund Tameru hat diese Woche beruflich viel zu tun und kann sich nur wenig um mich kümmern. Das wußte ich schon und hatte eigentlich keine großen Wünsche. Doch dann kam die Überraschung: Er hat zwei junge Leute engagiert, die mir heute Addis zeigen sollen. Den ganzen Tag fahren wir kreuz und quer durch die riesige Stadt. Noch nie bin ich so schnell mit der Topographie einer Großstadt vertraut geworden und war ganz stolz, wenn ich eine Ecke wiedererkannte. Addis hat inzwischen um die 4 Mio. Einwohner. Unser erstes Ziel ist eine für die Geschichte ûthiopiens wichtige (moderne) Kirche, die Kaiser Haile Selassie (de.wikipedia.org/wiki/Haile_Selassie) in den 40er Jahren hat erbauen lassen, die Dreifaltigkeitskathedrale. Der Bau erinnert an römisch-katholische Architektur jener Zeit. Doch das ist die einzige Gemeinsamkeit. Man betritt die Kirche nicht einfach und kann dann darin rumlaufen wie im Kölner Dom. Oh, nein! Zuerst hat man wie in einer Moschee (de.wikipedia.org/wiki/Moschee) die Schuhe auszuziehen, denn jetzt betritt man einen heiligen Ort, so meine jungen Begleiter. Alles im Inneren ist mit Teppichen ausgelegt. Die Kirche hat mehrere »Abteilungen«, eine für Frauen, ein andere für die Männer und eine für den Chor. Links und rechts vom Altar Grabmäler für Kaiser Haile Selassie und seine Gemahlin. Diese sei zwar hier bestattet, so hörte ich, doch der Kaiser selbst, der am Ende von der kommunistischen Mengistu-Regierung (de.wikipedia.org/wiki/Mengistu_Haile_Mariam) vertrieben wurde, leider nicht, nur seine kaiserlichen Gewänder seien hier stellvertretend niedergelegt worden. In der Mitte ein riesiger Vorhang. Dahinter befände sich die Bundeslade (de.wikipedia.org/wiki/Bundeslade) aus dem Tempel in Jerusalem, bzw. eine Kopie davon. Diese sei nach der Zerstörung des Tempels von Jerusalem durch die Römer im Jahre 70 nach ûthiopien gelangt und seither existierten in allen äthiopischen Kirchen Kopien... Diese führt sich übrigens zurück auf den äthiopischen Kämmerer, den der Apostel Philippus, wie die Apostelgeschichte des Lukas erzählt, getauft habe. Aber schon viel früher habe man intensive Beziehungen zum Judentum gepflegt. Fast 3 Jahrtausende lang existierten äthiopische Juden, seit nämlich die äthiopische Königin von Saba (de.wikipedia.org/wiki/Königin_von_Saba) bei König Salomo (de.wikipedia.org/wiki/Salomo) in Jerusalem gewesen sei, um sich von seiner Weisheit zu überzeugen. Übrigens wurde diese große jüdische Gemeinde in den Hungerjahren der Mengistuzeit einmal in einer berühmten Nacht- und Nebelaktion durch den Staat Israel komplett nach Palästina evakuiert. Historiker allerdings hätten festgestellt, daß ûthiopien als Staat erst im 4. Jahrhundert mit einem der Könige christlich geworden sei. Jedenfalls verknüpfen sämtliche Bräuche der äthiopischen Kirche, die in jene Zeit zurückreichen, sehr eng das Alte mit dem Neuen Testament.
Und dann erst der sehr eigenartige Gesang. Auch hier höre ich von meinen jungen Stadtführern, daß dieser dem Gesang der Vögel abgelauscht worden sei. Instrumente sind ein langer Stock, mit dem im Takt auf den Boden geschlagen wird, eine dicke Trommel und eine Art Rassel. Und auch die seinerzeit gesprochene Sprache, das »Ge\\\\\\\\\'ez« habe sich als Kirchensprache in ûthiopien bis heute bewahrt, allerdings würden Evangelium und Predigten in amharish verkündet. Alle Liedtexte und Gebete seien in dieser Sprache und der normale Sonntagsgottesdienst beginne nachts um 12 und ende erst nach 10 Stunden, um 10 Uhr Sonntagmorgen. Ich bin ganz verwirrt ob dieser Informationen und folge meinen Stadtführern ins Nationalmuseum. Hier kommen wir in eine »Zeitmaschine« und betrachten 4 Millionen Jahre alte Knochenfunde von den ersten Menschen, von denen man überhaupt auf der Erde weiß, auch diese seien in ûthiopien gefunden werden. Auch der im Düsseldorfer Neandertal gefundene »Neandertaler« (de.wikipedia.org/wiki/Neandertaler) ist dagegen eher ein junger Mann und nur um die 2 Millionen Jahre alt, wie ich in den Texten des Museums lesen kann. Die übrigen Abteilungen befassen sich eher mit der neueren Geschichte ûthiopiens, insbesondere mit dem Unabhängigkeitskampf. Im 19. Jahrhundert und dann nochmal in der faschistischen Zeit hatte Italien nicht nur einen Blick auf ûthiopien geworfen, sondern das Land mit Krieg und Eroberung übersät, was ihm aber nur sehr begrenzt gelungen ist. Ich kann die einfachen Knarren betrachten, mit denen die Abessinier, wie die ûthiopier auch genannt werden, ganz erfolgreich den Italienern das Leben schwer machten und trotzdem haben sie in ûthiopien wie die Vandalen gehaust und wichtige Kulturgüter zerstört.
Deshalb esse ich dann mittags in dem Lokal, wo ich mich mit Tameru treffe, auch nicht Pizza, sondern bestelle ein typisches äthiopisches Gericht mit Gemüse, Fladenbrot und vor allem recht scharfen Gewürzen. Sehr lecker.
Später fahren wir noch hoch auf einen der 3000 Meter hohen Berge die das etwa 2.200 Meter hohe Addis Abeba umgeben. Dort haben wir eine herrliche Aussicht auf die gesamte Stadt und dort sei auch der erste bescheidene Palast des ersten Kaisers der Neuzeit Menelik gestanden. Eines Tages sei seine Frau hinunter in die Ebene gestiegen, habe heisse Quellen gefunden und einen angenehmeren Ort zum Leben. Sie haben ihn deshalb »schöne Blume« genannt, auf deutsch: Addis Abeba. Die heissen Quellen können heute jene geniessen, welche die Suiten in den Luxushotels Hilton & Co. bezahlen können. Aber ansonsten ist Addis eigentlich nach wie vor auf Schönheit bedacht. So wurden in den letzten Jahren an den Straßenrändern und oft auch in den Mittelstreifen sehr viele Bäume gepflanzt, wodurch sich Addis inzwischen wohltuend von anderen afrikanischen Großstädten unterscheidet. Doch in den (aufgeforsteten) Wäldern der umliegenden Berge sehe ich ausschließlich Eukalyptus. Ein Baum, der extrem viel Wasser schluckt und deswegen in dem oft sehr trockenen ûthiopien eigentlich völlig fehl am Platz ist. Später fahren wir noch in ein ganz anderes Viertel. Eigentlich sollte mir der größte Markt gezeigt werden, aber heute ist muslimischer Feiertag: der Ramadan (de.wikipedia.org/wiki/Ramadan) ist zu Ende, Addis hat viele Muslime. Fast alle Geschäfte sind hier geschlossen. Wir fahren in einen Außenbezirk, wo viele kleine Läden von offenbar christlichen Händlern geöffnet sind und dann wird mir ein Viertel gezeigt, wo in großem Maßstab Plastik recycelt wird. Ich traue meinen Augen nicht. Meine Stadtführer erklären mir, daß ûthiopien u.a. eine Firma habe, wo aus gebrauchtem Plastik neue Plastikschuhe hergestellt würden, die, wie mir gezeigt wurde, für die Bevölkerung billig zu haben sind. Auch sehe ich Computerschrott in alle Einzelteile zerlegt. Alles soll wiederverwertet werden.
Seitenstraße in Addis Abeba mit Müll
Recyclete Plastikprodukte..
..Schuhe
Recycling-Stadtteil in Addis-Abeba. Links Schrott, rechts Plastic.
Holzkohlenverkäuferin
Und dann sehe ich zwei Holzkohlenverkäuferinnen. Zwischen ihnen ein etwa ein Meter hoher Grevilea-Baum. Sie erzählen meinem Stadtführer ganz stolz, daß sie diesen in den letzten Jahren jeden Tag begossen hätten und sich persönlich für sein Wohlergehen verantwortlich fühlen. Offenbar hats in Addis Abeba viele solche »Baumpaten«. Völlig erschöpft von den vielen Eindrücken treffe ich am Abend Tameru wieder. Wir fahren zurück in sein Heim, doch jetzt sind wir in der Rush-Hour: Hauptverkehrszeit. In der Innenstadt geht nichts mehr. Ampeln gibts fast keine und auf den Kreuzungen versuchen Verkehrspolizisten Ordnung ins Chaos zu bringen. Eigentlich fährt jeder wie er will. Im Zweifelsfall wird gehupt. Allerdings, so höre ich, bei einem Verkehrsunfall würden die Verkehrsregeln sehr streng ausgelegt von den Richtern und sehr vieles komme vor Gericht, weil viele Autofahrer bisher nicht versichert seien. Ab 2012 gebe es wie in Deutschland eine Zwangsversicherung... Jedenfalls brauchen wir ziemlich lange, bis wir aus den verschiedenen Staus raus sind. Die Polizisten tun mir leid, die in der ganzen Zeit mitten in den Abgasen stehen müssen. Jetzt ists ja noch relativ kühl in Addis, aber in der heissen Trockenzeit dürfte dies ziemlich unerträglich sein. Immerhin seien zwei Straßenbahnen geplant. In der Tat hat man einige der Ausfallstrassen mit breitem Mittelstreifen gebaut. Hier sollen mal Straßenbahnen fahren. Man hätte vielleicht besser damit angefangen, anstatt alle diese Avenuen zu bauen. In einem späteren Gespräch stellte ein äthiopischer Freund fest, daß all diese neuen Strassen nach seiner Beobachtung eigentlich nur neuen Verkehr nach sich zögen... Natürlich gibts auch einen öffentlichen Busverkehr. Aber wie ich mich überzeugen konnte, sind sämtliche Busse hoffnungslos überfüllt und morgens und abends können gar nicht alle Wartenden rechtzeitig mitgenommen werden. Irgendwas ist schiefgelaufen. Wenn die Regierung europäische Berater hatte, dann offenbar nur jene der Autoindustrie...
Addis Abeba, Mittwoch 31. August 2011
Heute steht mit den jungen Leuten ein Ausflug aufs Land auf dem Programm, so hatte ich das jedenfalls verstanden und dann war die Überraschung groß, als wir nach ca. 2 Stunden Fahrt vor einem riesigen Naturwunder standen. Hinter den nördlichen Bergen von Addis ist erstmal viele Kilometer lang eine Hochebene und danach findet sich ein extrem tiefes Tal, wo jetzt in der Regenzeit die Flüsse der Hochebene in gewaltigen Wasserfällen hineindonnern. Entlang der stufenweisen Abhänge befinden sich zahlreiche Klöster der äthiopischen Kirche, darunter Debrere Libanos (en.wikipedia.org/wiki/Debre_Libanos), welches für die gesamte Geschichte ûthiopiens eine große Rolle gespielt hat. Das Klosterleben in ûthiopien ist nicht ohne weiteres mit Benediktinern (de.wikipedia.org/wiki/Benediktiner) oder Franziskanern (de.wikipedia.org/wiki/Franziskanische_Orden) zu vergleichen. Dieses Kloster hat insgesamt rund 800 Mönche und Nonnen, die direkt dort oder in umliegenden Einsiedeleien leben. Alle diese Ordensleute sind von weitem wie buddhistische Mönche durch eine knallgelbe Ordenstracht zu erkennen oder eigentlich gelbe Tücher, die sie um den Körper winden. Die Pilger dagegen tragen ausschließlich ähnlich aussehende Tücher, aber in weißer Farbe. Und an diesem Tag sind tausende, vielleicht zehntausende von Pilgern unterwegs. Ich erlebe das Mittagsgebet außerhalb der Klosterkirche: Sämtliche Pilger verharren während der archaischen Gesänge knieend mit dem Kopf bis auf den Boden. Ein unglaublicher Anblick!
Das Mittagessen nehmen wir in einem Restaurant hoch oben am Rand der Hochebene ein und haben von der Terrasse eine wunderschöne Aussicht auf dieses gewaltige Tal, das sicherlich 500 wenn nicht 600 oder 700 Meter weit runtergeht. Von überallher sieht man die Wasserfälle der umliegenden Hochebenen in dieses Tal donnern. Die Wasser speisen den Blauen Nil, der dann später ins Mittelmeer fliesst. Und dann gehen wir noch zur »Portugiesischen Brücke«. Die ersten Eroberer waren im 16. Jahrhundert die Portugiesen. Sie suchten an dieser zerklüfteten Stelle einen Übergang über den Fluss, der wenige Meter später tief ins Tal hinunterdonnert und haben dort eine kleine Fußgängerbrücke (ohne Geländer, aus Stein) gebaut, die heute noch steht und begehbar ist. Wir laufen dann der hundert Meter tiefen Felswand entlang und sehen in der Ferne das Klostergebäude Debre Libanos und viele weitere Klöster. Ein unvergesslicher Eindruck!
Zwei Tage Tourismus. Früher haben Amerikaner Europa in 7 Tagen bereist. Ich muß mich mit 2 Tagen ûthiopien begnügen. Wir fahren zurück nach Addis und im Auto haben wir noch viele Diskussionen, auch über die Politik in ûthiopien, die nicht immer so erfreulich ist und viele andere Bräuche. Der junge Mann, der mir in den letzten beiden Tagen hauptsächlich diese Teile seiner Heimat gezeigt hat, stammt aus einer armen Familie mit acht Kindern. Für Schulgeld war nicht genug da. So hat er sich als Schuhputzer in Addis sein Schulgeld bezahlt und immerhin Abitur machen können. Sein Englisch ist ausgezeichnet. Er möchte gerne »internationale Beziehungen« studieren, aber im Moment reicht dafür wieder einmal das Geld nicht. So verdient er sich etwas, indem er Touristen seine Heimat zeigt.
Addis Abeba, Donnerstag, 1. September
Diesen Tag verbringe ich sozusagen »zu Hause«, kann ausruhen, Berichte schreiben und mich auf die Reise nach Nigeria (de.wikipedia.org/wiki/Nigeria) vorbereiten, die morgen beginnen soll.
Addis Abeba, Freitag, 2. September
Wir stehen schon kurz nach 6 Uhr auf. Um 8 muß ich am Flughafen sein. 2 Stunden später geht der Flug nach Abuja (de.wikipedia.org/wiki/Abuja) los. Flugzeit: 5 Stunden. Im Flugzeug sitzen viele Pilger, die aus Mekka (de.wikipedia.org/wiki/Mekka) zurückkommen. Eine völlige andere Welt erwartet mich...
Abuja, 2.9.11
Seit Freitagmittag bin ich also in Nigeria angekommen, nach 5 Stunden Flug von Addis. Abflug 10 Uhr, Ankunft 13 Uhr. Wieso braucht das Flugzeug 5 Stunden und nicht 3 Stunden? Weil in Addis Osteuropäische Zeit (de.wikipedia.org/wiki/Osteuropäische_Zeit) ist und in Nigeria GMT (de.wikipedia.org/wiki/Greenwich_Mean_Time). Dazwischen liegt die Mitteleuropäische Zeit (de.wikipedia.org/wiki/Mitteleuropäische_Zeit). Am Flughafen wurde ich schon erwartet. Das ging so: Der Passbeamte fragte mich nach der schriftlichen Einladung. Diese würde ich für die Einreise benötigen. Aber diese hatte ich doch schon bei der nigerianischen Botschaft hinterlegt und das Visum bekommen. Da griff sein Kollege ein, der neben ihm saß und eine zweite Warteschlange bearbeitete. Ach, sagte er lächelnd, Du bist Heinz. Willkommen in Nigeria. Kollege, überlasse den Fall mir. Heinz, draußen wartet schon Yahaya auf uns. Komm rüber, gleich bin ich fertig und wir gehen raus. Das war\\\\\\\\\'s dann und wenige Minuten später stand ich auf dem Parkplatz und unser Freund Yahaya kam erst später dazu, weil er bei der Gepäckausgabe auf mich wartete, aber ich hatte nur Handgepäck und war schneller draußen. Des Rätsels Lösung: Der Passbeamte hatte unseren holzsparenden Ofen SAVE80 kennengelernt und war deswegen davon begeistert und Yahaya hatte ihn gebeten, ein Auge auf meine Ankunft zu haben.
10 oder 12 spurige Autobahn vor Abuja mit wenig Verkehr am späten Vormittag
Dann fuhren wir hinein nach Abuja. Der Flughafen liegt 43 km draußen und ist nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln, noch nicht einmal mit Taxi zu erreichen. Wer partout kein Auto hat, muss einen Mietwagen nehmen oder sich halt abholen lassen. Ich wurde abgeholt und wir fuhren über eine 12-spurige Autobahn, wovon teilweise noch 6 Spuren im Bau waren, von der deutschen Firma Bilfinger (de.wikipedia.org/wiki/Bilfinger_Berger). Nach kurzer Zeit kam ich mir vor wie in Los Angeles. Das Ölland Nigeria als Autogesellschaft: Benzin ist spottbillig, umgerechnet 37 Eurocent. Aber nicht, weil man soviel davon hat - das Rohöl wird exportiert und 70% des Benzins muss zu Weltmarktpreisen wieder importiert werden - sondern weil der Staat den Benzinpreis erheblich subventioniert. Wenn das nicht wäre, so höre ich, gäbe es einen Aufstand und den fürchte die Regierung Und so hat sich Nigeria in eine extreme Autowelt verwandelt, und manches erinnert an Amerika. Im Fernsehen werden hier ja auch täglich die amerikanischen Seifenopern gezeigt... Die Retortenstadt Abuja jedenfalls ist ganz und gar amerikanisiert. Die Stadt hat modernste Architektur und ist seit 1992 auf der grünen Wiese entstanden. Vorher war Lagos (de.wikipedia.org/wiki/Lagos) die Hauptstadt, ganz im Südwesten. Abuja liegt genau in der Mitte des Landes....
Wir benötigten eine Hotelübernachtung. Unten in der Rezeption lief der Fernseher. Als mir mein Zimmer gezeigt wurde, war das erste, daß der Hotelangestellte den Fernseher anstellte und das erste, was ich tat, war, diesen wieder auszuschalten. Ich hörte, überall im Land laufe der Fernseher wie eine Kulisse wenn überhaupt Strom da ist. Stromabschaltungen gehörten zum Alltag. Nun ja, vielleicht hätte man mehr Strom, wenn der Verbrauch etwas vernünftiger wäre Die ganzen Fernseher und dazu die Ventilatoren und manchmal draussen die Generatoren produzieren eine Menge Lärm. Aber Lärm gehört zum Alltag afrikanischer Großstädte
Abuja, Samstag, 3. September 2011
Im Frühstücksraum läuft im lautstarken Fernseher ein Fussballspiel. Wir sind die einzigen Frühstücksgäste und das Personal scheint sich durchaus gestört zu fühlen als wir kamen und sie dem Fussballspiel nicht mehr folgend konnten. Das Frühstück besteht aus einem Teller Haferschleim und zwei Toastscheiben, dazwischen geschmolzene Margarine und eine Tasse Pulverkaffee. Kostenpunkt umgerechnet: 3,50 Euro. Mein Magen bedankt sich auf seine Weise und schnell bin ich alles wieder los.
Holzverkäufer am Rande einer nigerianischen Autobahn
Kaduna, Samstagnachmittag, 3. September 2011
Kurz später fahren wir ab. Reiseziel Kaduna, etwa 200 km weiter nördlich. Zunächst befinden wir uns auf den breiten, 4-, 6- oder 8-spurigen Avenuen von Abuja. Fast überall werden weitere Fahrspuren hinzugebaut. Warum? Weil trotz alledem jeden Tag hier lange Staus morgens rein und abends raus stattfinden. Der öffentliche Verkehr existiert praktisch überhaupt nicht. Eine paar total überfüllte Busse und Taxis sind privat organisiert. Weshalb sollte eine amerikanisch orientierte Gesellschaft auch den öffentlichen Verkehr förden? Wir erreichen weit draussen die grosse Kreuzung und biegen ab auf die Autobahn Lagos-Kano, also die grosse Nord-Süd-Linie. Plötzlich, am Strassenrand, unzählige Händler mit ihren Holzständen und »fliegende Händler«, die Süssigkeiten, Getränke, Zeitungen und was auch immer den Autofahrern anbieten. Sie leben vom täglich Stau und Yahaya sagt: Schau mal, hier beginnt Afrika. Wir fahren eine Anhöhe runter und im Vordergrund erhebt sich majestätisch ein riesiger Hundert Meter hoher Felsen, das Wahrzeichen Abujas. Dann biegt die Autobahn Richtung Norden ab und wir fahren über flaches, jetzt in der Regenzeit üppig grünes Land. Überall einzelne Bäume und ich höre, daß hier vor 20 Jahren meist noch Regenwald gestanden habe. Seit das Kerosin so teuer geworden ist, mit dem man früher gekocht habe, sind die meisten Nigerianer wieder zum Holz zurückgekehrt und entsprechend viel wird abgeholzt. Später sehen wir am Strassenrand die Holzhändler, die, Hunderte von Metern an der Strasse entlang, ihr Holz zum Verkauf aufgestapelt haben. Wenn man allerdings die Landschaft rundrum in Ruhe liesse, so wüchse hier in wenigen Jahren wieder ein tropischer Wald. Das ist jetzt, in der Regenzeit, gut zu sehen. Die grosse Pflanzenvielfalt überrascht mich. Vom Ostkongo kenne ich dies beim Baumbestand in der Regel nicht. Dort und auch in ûthiopien sieht man vorwiegend Eukalyptus. Dieser ist hier die Ausnahme.
Nach etwa 2 Stunden kommen wir zur Provinzhauptstadt Kaduna (de.wikipedia.org/wiki/Kaduna_%28Nigeria%29) mit seinen rund 1,2 Mio. Einwohnern. Kaduna-Süd ist das Industriegebiet oder muss man sagen, das einstige Industriegebiet? Infolge der ständigen Stromabschaltungen sind viele Firmen pleite gegangen, andere haben geschlossen. Zum Beispiel steht das riesige Peugeut-Montagewerk still. Inzwischen werden diese französischen Autos wieder importiert. Fünf Textilfabriken haben dicht gemacht und wir fahren an vielen weiteren Industrieruinen vorbei. Lediglich Coca-Cola und andere Getränkefirmen florieren. Nun ja, in dieser Hitze hat jeder Durst
Hauptsächlicher Grund für die zahllosen Firmenschliessungen und damit für die Entlassung unzähliger Arbeiter: Energiemangel. Dafür stehen überall am Strassenrand Strassenlaternen und überall laufen die Fernseher, dort wo Strom ist. Irgendwie wird Strom, wenn er denn da ist, angesehen, als sei dieser wie Wasser und Wind. Stromsparen ist ein Fremdwort. Entweder hat man Strom oder man hat keinen. Und wenn man keinen hat, dann kauft man Benzin für einen Generator, der dann irgendwo knattert. Das teure Hotel in der Stadtmitte hat eine riesige Generatorenanlage viele andere Einrichtungen, wie Krankenhäuser z.B. ebenso. Solarenergie ist nicht unbekannt, aber stellt bisher keine Alternative dar. Immerhin, an einigen Stellen der Stadt werden Ampeln und einige andere Verkehrsregelungsanlagen mit Solarenergie erfolgreich betrieben. Das Thema ist für mich besonders wichtig, weil Hauptgrund für meine Reise nach Nigeria der Auftrag ist, mit hiesigen Partnern die Möglichkeit einer Solarenergiekonferenz abzuklären. Wir haben in Deutschland schon zwei solche Konferenzen gehabt (vgl. www.solarenergie-fuer-afrika.de) und wollen jetzt endlich die Fortsetzung in Afrika selbst wagen. Deswegen interessiert mich natürlich auch, wie überhaupt mit Energie umgegangen wird. Energiesparen wird zwar nicht alle Energieprobleme lösen, ist aber Teil der Lösung. Ein anderes Problem ist sicherlich die amerikanisch-orientierte Energieverschwendung.
Diese Gesellschaft, die dadurch in wenigen Jahrzehnten einen substantiellen Teil der eigenen Kultur über Bord geworfen hat, wird lernen müssen, zu den eigenen Wurzeln zurückzukehren. Diese sind noch etwas vorhanden und dies äussert sich z.B. darin, dass z.B. der muslimisch orientierte Teil der Bevölkerung in den langen Gewändern und ihrer eigenen Kopfbedeckung gekleidet ist. Auch die Essensbräuche sind nicht verwestlicht. Aber ansonsten kommt mir vor, daß der Nigerianer heute "verfremdet" ist, wie die Soziologie sagen würde. Einerseits ist der Lebensstandard des 200-Millionen-Volkes deutlich höher als in den meisten anderen afrikanischen Ländern. Andererseits geht dies in erheblichem Maße auf Kosten der Umwelt und vielleicht muss man sagen auf Kosten der Seele der nigerianischen Völker im Bundesstaat Nigeria. Manches ist gut entwickelt, doch Tradition und Moderne stossen oft schroff aufeinander, passen nicht zusammen. Stattdessen hat sich der Nigerianer an den Medienlärm gewöhnt, ist nicht mehr in der Lage, in Stille und Ruhe den eigenen Weg zu finden. Man lebt nicht, sondern wird gelebt, in den täglichen Staus, im täglichen Warten auf irgendetwas und man leidet unter einer hochgradig korrupten Obrigkeit, deren Entscheidungen nicht zweckorientiert sind, sondern, sagen wir mal, provisionsorientiert. Und die grossen internationalen Firmen, die in Nigeria tätig sind, wissen schon, was sie zu tun haben. Für diesen oder jenen Großauftrag bekommt dieser oder jener General oder Minister mal eine oder manchmal zwei Villen schlüsselfertig hingestellt, oder auch eine Luxuskarosse oder was auch immer.
Am Nachmittag schauen wir uns das Gelände der Kaduna-Messe an. Dies ist die zweitgrößte Messe Nigerias und findet immer in der Trockenzeit, im Februar, für 9 Tage statt. Ab Januar wird das Gelände geputzt und renoviert. Ein Dutzend Hallen, viele Ausstellungsgebäude, ein Konferenzzentrum, alles steht perfekt zur Verfügung. Für 9 Tage. Dann fällt wieder alles auf dem riesigen Gelände in einen Dornröschenschlaf. Ich bin fassungslos. Wie gut könnte man dies Gelände das ganze Jahre über bewirtschaften, für Fachmessen oder Konferenzen. Sonstige Konferenzen werden stattdessen in teuren Luxushotels Kadunas organisiert. Wie kommt dies? Bisher stand die Kaduna-Messe in Verantwortung der Zentralregierung in Abuja und diese hatte nur diesen Auftrag, sonst nichts. Behördengerangel verhinderte weitere Nutzung. Ganz neuerdings soll die örtliche Industrie- und Handelskammer die Verantwortung übernehmen und ihr Vertreter, mit dem wir die Geländebesichtigung durchführen, ist ganz angetan von der Vorstellung einer speziellen Solarkonferenz, evtl. mit einem Messeteil
Und nicht nur das. Die vielen Hallendächer würden sich hervorragend für Solarpanel eignen und diese könnten reichlich Strom erzeugen. Wir sprechen noch ausführlich über das deutsche Energieeinspeisegesetz, von dem der Handelskammervertreter schon gehört hatte und das ihn sehr interessierte
In den nächsten Tagen stehen weitere Gespräche auf dem Programm und wir werden sehen, ob eine Zusammenarbeit für ein solches Vorhaben zustandekommt
Kaduna, 4. September
Am Sonntagnachmittag machen wir einen Ausflug Richtung Zaria, der zweitgrößten Stadt im Bundesstaat Kaduna. Auf halben Wege hat Chris ein Grundstück und dort besichtigen wir das erste »Flaschenhaus Afrikas« [Ankündung im Jugendserver an anderer Stelle]
Das Haus ist fast fertig. Noch fehlt das Dach. Man will das Ende der Regenzeit abwarten und in zwei Wochen dürfte dies soweit sein. Ich bin total beeindruckt endlich einmal selbst sehen zu können, was mit PET-Flaschen (de.wikipedia.org/wiki/PET-Flasche) alles möglich ist. Yahaya macht das Experiment, nimmt die mit Sand gefüllte PET-Flasche und schlägt damit zwei Ziegelsteine kurz und klein. Der Flasche macht das gar nichts. Ein hervorragendes, dauerhaftes Baumaterial. Und dazu noch fast gratis. Plasticflaschen gibts hier in Afrika wie Sand am Meer. Das PET-Flaschenhaus hat schon eine beachtliche Besucherzahl gehabt. Eine Besucherin schrieb ins Gästebuch: »Dies ist eins der Wunder dieser Welt!« Auch während wir da sind kommen Besucher, ganze Familien nutzen den Sonntagsausflug, um das Flaschenhaus zu besichtigen. Nebenan ist schon die Zisterne aus PET-Flaschen fertig. Derzeit wird sie zur Züchtung von Fischen genutzt.
PET-Flaschenhaus in Kaduna
das erste in Afrika
nur das Dauch fehlt noch...
Montag, 5. September
Wir sind mit Vertretern der Kaduna-Messe verabredet, d.h. dies sind jetzt Repräsentanten der Industrie- und Handelskammer Kaduna. Seit eineinhalb Jahren sind sie zuständig für den Betrieb der Messe und denken auch schon an eine Ausweitung der Messeaktivitäten übers ganze Jahr hin. So »rennen wir offene Türen ein« mit unserer Idee, eine Solarkonferenz in Kaduna im Rahmen einer eigenen Solarmesse oder einer Messe für erneuerbare Energien zu veranstalten. Der Nachmittag wird zu einem richtigen Brainstorming.
Dienstag, 6. September
Heute bin ich eingeladen, das Team unserer Partnerorganisation in den Bundesstaat Katsina (de.wikipedia.org/wiki/Katsina_%28Bundesstaat%29) zu begleiten (wir waren in der Stadt Kurfi, www.maplandia.com/nigeria/katsina/), der ganz im Norden liegt, an der Grenze zum Nachbarland Niger (de.wikipedia.org/wiki/Niger). Je weiter wir in den Norden kommen, um so weniger Bäume sind zu sehen. Immer häufiger verwandelt sich der Straßenrand in eine »degradierte« Landschaft, d.h. ausgetrocknet und unfruchtbar. Während wir später hören, daß Kaduna Regen hatte, scheint hier unbarmherzig die Sonne. Allerdings ist das Land rundrum zum größten Teil grün, denn noch ist Regenzeit. Allerdings höre ich von Yahaya, daß in der Trockenzeit hier alles dürr und verbrannt ist. Dabei sehe ich auch hier, wie vorher schon neben der Autobahn von Abuja nach Kaduna, daß die Reste des ehemaligen Regenwaldes noch nicht ganz beseitigt sind. Liesse man die Sträucher in Ruhe, würde hier in wenigen Jahren an vielen Stellen wieder ein Wald sein. Doch ist der Brennholzbedarf im Norden extrem hoch. Brennholz und Holzkohle kosten viel Geld. So wird alles abgeholzt, was irgendwie geht. Einzig die Obstbäume, insbesondere Mangobäume (de.wikipedia.org/wiki/Mango), bleiben noch stehen. Wir sehen also eine Savannenlandschaft (de.wikipedia.org/wiki/Savanne), aufgelockert mit einzelnen Obstbäumen. Doch je weiter wir in den Norden kommen umso häufiger verschwinden auch die Obstbäume.
Das Ziel ist ein kleines Städtchen, dessen Namen ich mir nicht merken konnte. Dort werden wir schon in einem netten Jugendzentrum erwartet und zwar von etwa 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einer Behörde für Umweltschutz. Yahaya möchte erst eine Power-Point-Präsentation machen, anschließend wird unser holzsparender SAVE80-Ofen vorgeführt. Wie so oft, gibts auch hier keine Elektrizität. Ein Generator wird installiert und die Leute brauchen einige Zeit, um die Technik in Gang zu bringen. Dann beginnt Yahaya seinen Vortrag und erklärt, welche Klimaveränderungen Nigeria zu erwarten hat, wenn sich die Politik nicht ändert und wenn vor allem der Holzverbrauch so weitergeht wie heute. Währenddessen wird draussen auf dem SAVE80 (www.nigeria.l-h-l.org) schon ein leckeres Mittagessen gekocht. Nach dem Vortrag wird die Funktionsweise des Kochers erklärt. Das Projekt ist derzeit das einzige funktionierende CDM-Projekt für Nigeria, vom UNO-Klimasekretariat in Bonn (unfccc.int/cop5/klima/secret/) anerkannt. Die Leute sind überwältigt. »Wir sind beeindruckt«, sagt einer der jungen Leute, die übrigens alle in ihren traditionellen Gewändern da sitzen. Dann kommt das Essen und insbesondere die Frauen können gar nicht fassen, daß sowenig Holz benötigt wird, um für alle 30 Personen ein Mittagessen zuzubereiten, nämlich Reis mit einer leckeren Fleischsauce. Die Köchin hat für mich sogar extra an eine Sauce ohne Fleisch gedacht... Die Leute staunen und die Liste zur Anmeldung für Kocher, die man kaufen will, macht die Runde. Die vier mitgebrachten Kocher werden gleich an Ort und Stelle verkauft. Dieser Kocher ist für die Menschen in dieser holzarmen Gegend eine echte Innovation und eine große Hilfe. Die Anwesenden werden dies in ihrem Bekanntenkreis weitererzählen und wenn genügend Bestellungen da sind, dann wird unsere Partnerorganisation einige arbeitslose junge Leute aus der Gegend ausbilden, welche dann die Kocher zusammenbauen können. Erfahrungsgemäß haben diese jungen Leute ein Interesse am Verkauf des Kochers, denn je mehr verkauft werden, umso mehr Arbeit bekommen sie und damit einen kleinen Verdienst...
Wir fahren zurück nach Kaduna und benötigen für die Strecke gut 3 Stunden, obwohl der Fahrer auf den guten Strassen Nigerias bis 120-130 km in der Stunde aufdrehen kann. Immer wieder begegnen uns Tanklastwagen aus dem Süden des Landes. Viele haben obendrauf noch eine Ladung Holzkohle oder Brennholz, als Zuverdienst für den Fahrer. Im Süden gibts noch Wälder. Allerdings dürften die letzten Regenwälder Nigerias in 10-15 Jahren abgeholzt sein, wenn sich nicht schnell etwas ändert. Deshalb hoffen wir, Zehntausende von solchen Öfen, gesponsert durch das UNO-System, verkaufen zu können.
Nirgendwo auf der Welt habe ich bisher am Straßenrand so viele Tankstellen (und Tanklastwagen) gesehen wie in Nigeria. Diese »beschleunigte Gesellschaft« hier, verbrennt das Benzin mindestens mit dem Tempo wie in Deutschland. Die Straßen jedenfalls sind genauso voll mit Autos wie bei Euch zu Hause. Und in den Städten haben wir an den Kreuzungen regelmäßig lange Staus. In der Mitte stehen dann Polizisten, die den Verkehr regeln müssen. Ampeln sind eine Seltenheit. Diese Polizisten, die jahraus jahrein diesen Autoabgasen ausgesetzt sind, sind nicht zu beneiden. Aber sie erledigen ihren Job souverän und resolut.
Mittwoch, 7. September 2011
Heute bin ich mal wieder erkältet und das in dieser Hitze hier. Aber die Nächte sind recht kalt und bei den Autofahrten ziehts. Trotzdem kein großes Problem. Heute nachmittag fahren wir wieder zurück nach Abuja, wo auch einige Beratungen wegen der Solarkonferenz stattfinden sollen.
Freitag dann ist der Rückflug nach Addis Abeba. Und Sonntag zurück nach Deutschland.
Zweiter von rechts Prof. Balarabe mit Team, links unser Partner Yahaya
Vormittags Beratungen mit Prof. Balarabe von der Uni Zaria (de.wikipedia.org/wiki/Zaria) und Kollegen über die Solarkonferenz. Er war mir schon von meinem Sitznachbarn im Flugzeug nach Abuja als führender Umweltschützer empfohlen worden. Yahaya kannte ihn natürlich und jetzt saßen wir zusammen. Ein wirklich wunderbarer Mensch und wir können dankbar sein, ihn im Boot zu haben!
Nachmittags fahren wir nochmal auf das Gelände des "Flaschenhauses" (jsnds.de/index.php) zu abschließenden Beratungen mit Chris über die weitere Zusammenarbeit. Hier überrascht uns ein kräftiger Regenguss. Bei Einbruch der Dunkelheit machen wir uns auf den Rückweg, kommen aber nur langsam voran. Erst ein langer Stau vor einer Militärkontrolle Alltag auf den bundesnigerianischen Autobahnen, dann ein "gewöhnlicher" Stau vor einer größeren Kreuzung in Kaduna und dann noch ein Megastau auf der Umgehungsautobahn. Wir kommen erst kurz vor 20 Uhr bei Yahaya zu Hause an. Hätten wir zügig fahren können 30 Minuten statt der jetzt benötigten 2 Stunden. Eigentlich wollten wir heute Abend noch nach Abuja fahren, um morgen früh den großen Stau der Berufstätigen, die alle nach Abuja reinwollen zu vermeiden. Allerdings fand Yahaya, daß so spät abends die Straßen Nigerias vor Räubern nicht mehr so sicher sind. Außerdem meldete sich meine Erkältung und ich bin froh, daß ich kurz später im Bett liege...
Donnerstag, 8.9.11
Allerdings hatten wir aus den genannten "Staugründen" beschlossen, schon um 5 Uhr nach der Hauptstadt Abuja loszufahren. Als um 4 Uhr von den benachbarten Moscheen in der Nachbarschaft die Rufe und Gesänge der Muezzine zu hören sind, stehe ich schon unter der Dusche. Die Nachtruhe hat gut getan, wenn ich auch mindestens arg verschnupft bin. ½ 5 Frühstück und um 5 Uhr hupt Moussa, unser Fahrer, ganz pünktlich draußen am Tor. Die Straßen sind an diesem frühen Morgen noch menschenleer oder sollte ich besser sagen "autofrei"? Als ich doch einige Menschen sehe, sagt Yahaya, dies seien Jogger beim Frühsport. Die Fahrt ist problemlos, bis auf mehrere Regengüsse, allerdings kommen wir dann gegen 8 Uhr doch noch vor Abuja in einen Stau. Um 9 Uhr habe wir einen Termin bei der Nationalen Energiekommission, die auch sehr engagiert unser Vorhaben unterstützen möchte. Anschließend hält Yahaya einen Vortrag über seinen SAVE80 bei einem Kaffeeklatsch der Frauen der internationalen Botschafter aus Sicherheitsgründen darf ich nicht mit und bin ganz froh, im Hotel nochmal etwas Schlaf nachholen zu können. Inzwischen hat sich ein hartnäckiger Husten eingestellt und ich habe die Medikamente in Addis gelassen welch ein Leichtsinn! Am Nachmittag bringen Moussa und ich Yahaya zum Flughafen, er muß heute noch nach Lagos zu weiteren Vorträgen. Im strömenden Regen fahren wir wieder die ca. 43 km zurück zum Hotel. Unterwegs kann ich die klatschnassen Polizisten bedauern, die auf den großen Kreuzungen mangels Ampeln tagaus, tagein den gewaltigen Verkehr regeln müssen, wie kleine Clowns, welche die Löwen zu bändigen haben. Moussa bringt mich noch zu einem Supermarkt, wo ich Kleinigkeiten für Abendessen und Frühstück kaufe. Das Hotelfrühstück will ich mir diesmal doch sparen...
Freitag, 9.9.11
Moussa bringt mich heute früh um ½ 10 zum Flughafen. Ich frage ihn, oh er Familie hat. Ja, hat er. Auch Kinder. Ja, viele, sagt er. Wie viele, frage ich. Er hält einen Augenblick inne zum Nachdenken und dann sagt er, genau wisse er das gar nicht. Er müsse mal zählen. Und dann sagt er, er sei ja Muslim und dürfe deswegen mehrere Frauen haben (de.wikipedia.org/wiki/Polygamie). Er habe zwei Frauen. Die eine habe 5 Kinder von ihm, die andere 8. Und sie lebten in einem Haushalt zusammen, frage ich? Ja, in einem Haushalt. Und das gehe gut? Ja, keine Probleme... (Na ja, der Papa ist als Fahrer oft auswärts und kriegt vielleicht nicht alles mit...?) Das sagt er alles ganz selbstverständlich und im Frieden mit sich selbst. Gestern früh um 5, als der Muezzin nochmal rief, kniete er neben dem Auto bevor wir abfuhren und verrichtete sein Morgengebet.
Später, hier in ûthiopien, werde ich gefragt, ob in Nigeria Muslime oder Christen in der Mehrheit seien. Ich erzähle diese Geschichte und füge hinzu, wenn die Muslime auch jetzt vielleicht noch keine Mehrheit hätten bei diesen Kinderzahlen werde sich das wohl bald ändern...
Im Flughafen Abuja lange Warteschlangen und ich muß 7 verschiedene Kontrollpunkte hindurch, bis ich aufs "Boarding" warten kann. Gleich mehrmals wird das Gepäck "gescannt", einmal muß ich auspacken, ein andermal gibts eine Leibesvisitation und an einer Stelle muß ich den Zweck meiner jetzt abgeschlossenen Nigeriareise nochmal bekanntgeben. Dabei will ich doch nur weg von hier. Im Flugzeug habe ich einen schönen Fensterplatz mit bester Sicht auf eine ganz dicke Wolkenschicht, die bis hinauf auf gut 12.000 Meter reicht, fast bis Addis Regenzeit nördlich des ûquators (de.wikipedia.org/wiki/ûquator)
Und in Addis treffe ich auf endlos lange Warteschlangen bei der Passkontrolle. Neujahrswochenende beginnt und alle wollen wohl irgendwie dabei sein.
Neujahrsblumenverkäufer in der Nähe von Addis
Düsseldorf, 11. September 2011
Was, ausgerechnet am 11. 9. fliegst Du, 10 Jahre nach diesem ominösen Datum in den USA? Sogar ûthiopien hat in diesem Jahr einen Schalttag eingelegt, sodaß Neujahr erst morgen stattfindet und der 13. Monat in diesem Jahr 6 statt sonst 5 Tage hatte. Heute morgen kurz nach Sonnenaufgang hörte ich von einem nahen Berg das bemerkenswerte gleichförmige Singen aus einer äthiopischen Kirche, das, wie ich neulich hörte, dem Gesang der Vögel nachempfunden sei. Der Gottesdienst hat schon Mitternacht begonnen und wird noch bis 10 Uhr dauern. Dann soll mein Rückflug nach Deutschland beginnen. Auf dem Weg zum Flughafen überholen wir ganze Herde von Schafen und Rindern, die alle zum Schlachten in die Hauptstadt getrieben werden. Neujahr ist eben auch hier ein kulinarisches Fest. Aber auch Kinder sind zu sehen mit den gelben Neujahrsblumen, die nur Anfang September blühen und mit denen deswegen gerne die Häuser geschmückt werden.
Zurück kommen Scharen von jetzt ungepackten Eseln. Sie haben ihre Lasten schon in die Hauptstadt gebracht. Esel sind in ûthiopien Transportmittel Nr.1 für die ländliche Bevölkerung. Außerhalb der geteerten Straßen stellen "Eseltaxis" den Verkehr zu entlegeneren Vororten der Hauptstadt sicher. Die Esel ziehen eine Art Rikscha, auf der die Fahrgäste sitzen. Das wäre sicherlich eine Touristenattraktion. Tameru erzählt, früher seien dies die wichtigsten Taxis in ganz Addis gewesen.
Der Rückflug ist problemlos, allerdings nicht ganz die Landung. In Frankfurt hat sich eine wie ich später sah kohlrabenschwarze Gewitterfront gebildet. Da mußten wir durch und das riesige Flugzeug wackelte ganz erheblich. Und dann verkündete der Pilot auch noch, er habe keine Landererlaubnis und müsse erstmal zurück und eine Warteschleife ziehen. Wir hatten also das Vergnügen eines kleinen Rundfluges über den Spessart, der übrigens wolkenfrei da unten lag. Dann kam die Landererlaubnis und alles ging nochmal los durch die Gewitterfront. "Ah" und "oh" stöhnten die Passagiere. Doch zur Belohnung glitt das Flugzeug danach an der Hochhausfront Frankfurts entlang runter auf den Flughafen. Wir waren wieder in Deutschland. Und schon im Flughafen dann alles so perfekt! Die Wasserhähne funktionierten. Man hatte fliessend kaltes, warmes Wasser. Die Türgriffe intakt. Alles blitzblank sauber. Dafür blickten die meisten Menschen trauriger als in Afrika. Was gibts hier nur zu betrauern? Die viele Arbeit, um alles sauber zu halten?
Fünf lange Wochen sind zu Ende. Ich reiste im strömenden Regen ab, kam im Kongo in häufige Regenfälle, die trotz Trockenzeit niedergingen, oben in den Bergen des Kivus fror ich durchaus und in ûthiopien nahm jeweils auch die Regenzeit ihren Gang als ich dort war und - wie schon berichtet - auch dort war\\\\\\\\\\'s lausig kalt. Und Nigeria war in dieser Regenzeit auch nicht gerade eine Hitzefalle, auch hier fror ich, vor allem nachts - bis zur Erkältung. Und zurück in Deutschland jetzt auch schon wieder Regen. Welch ein Sommer!
Ihr habt wohl nur heisse Tage gehabt, hier in Deutschland? Gestern, am 10.9. seien das 32 Grad gewesen, höre ich. Wär\\\\\\\\\' ich doch in Düsseldorf geblieben!
Kontaktdaten zum Verein Lernen-Helfen-Leben e.V.: LHL-Büro Düsseldorf, H.Rothenpieler, Postfach 260124, 40094 Düsseldorf, Tel.+Fax 0211-312608, Email; info@l-h-l.org, Website: www.l-h-l.org
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Geändert am 19.03.2012 13:34 von Jugendserver Niedersachsen