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Inhaltsverzeichnis

1 Reisetagebuch aus dem Kongo

2 Briefe aus dem Kongo



Der Verein Lernen-Helfen-Leben e.V. (LHL) wurde 1988 von Rückkehrern des DED gegründet, um einer Schule im Tschad zu einem festen Gebäude zu verhelfen und den Schulbesuch von Mädchen zu fördern. LHL e.V. ist parteipolitisch und religiös unabhängig. Seit einigen Jahren hat sich die bearbeitete Thematik und die Zahl der Länder, in denen LHL Projekte fördert, ausgeweitet. Es geht um Walderhalt, Wiederaufforstung, ökologische Landwirtschaft, Ko0mpostierung, Tröpfchenbewässerung, Holzsparherde, Solarenergie (Photovoltaik, Schulung im Bau von Solarlampen, Solartrockner), Dorfentwicklung, Toilettenbau, Bauen mit PET-Flaschen, Inlandsprojekte (Veranstaltungen in Schulen, Volkshochschulen, Lehrerfortbildung) . Von besonderer Bedeutung ist unser Holzsparherd-Projekt in Nigeria, das als das erste seiner Art weltweit in Zusammenarbeit mit der »Developmental Association for Renewable Energies« als CDM-Projekt in Nigeria realisiert wird. Die Mitarbeiter von LHL sind bis auf einen alle ehrenamtlich tätig. Deutsche Mitarbeiter im Ausland haben wir nicht, da alle Projekte von einheimischen Partnern gemanagt werden.
Heinz Rothenpieler (LHL) zur Zeit mit Phillip von Prima Klima im Kongo, schickt Reiseeindrücke per E-Mail, sein Arbeitsschwerpunkt ist Wiederaufforstung, Waldkindergarten, Wiedereingliederung von Kindersoldaten, Bau von holzsparenden Öfen des Typs Lorena.

2.1 1. kommt alles anders und 2. als man denkt

Donnerstag, 11.08.2011
Wieder in Afrika! Wir flogen  über einem wolkenverhangenen Himmel von ûthiopien bis Burundi,  doch über dem riesigen Viktoriasee (http://de.wikipedia.org/wiki/Victoriasee) war nur lockere Bewölkung und weil wir die südliche Linie nahmen, war der gesamte grösste See Afrikas in seiner ganzen Fülle zu sehen von der Südkueste bis hinaus nach Kampala – ein riesiger See und das Flugzeug brauchte vielleicht 20 Minuten vom einen zum anderen Ende. Burundi war wieder wolkenverhangen – trotz Trockenzeit, aber als wir zum Ruziyital kamen, das die Grenze zum Kongo bildete, waren zwar keine Wolken zu sehen, aber unten eine gewaltige Dunstglocke – von Menschen gemacht. Und drüben im Kongo sahen wir, was los war: Wie eh und je unzählige Feuerchen auf den Feldern, Buschfeuer, Brandherde. Ja, in der Trockenzeit ist Afrika das Verbrennungszentrum der Welt, wo die meiste Biomasse verbrannt wird. Wenn doch endlich die Bauern lernen könnten, dass Kompostierung sehr viel wertvoller ist… Und als wir in Bujumbura (http://de.wikipedia.org/wiki/Bujumbura) aus dem Flugzeug stiegen war die Luft erfüllt von einem Brandgeruch. Nach den Zoll- und Einreiseformalitäten winkte draussen schon eine kleine Delegation unserer Partner, die uns abholten und mit ihnen waren wir dann wir erstmal in einer modernen afrikanischen Grossstadt.
Nachdem wir die ersten Besprechungen bei Partnern in Bujumbura hinter uns hatten, ging’s rasch zur nahen Grenze, der Übergang war problemlos, auch, weil unsere Partner an der Grenze persönlich bekannt sind. Der Kongo (http://de.wikipedia.org/wiki/Demokratische_Republik_Kongo) ist dann schon wieder ganz anders. Überall am Strassenrand kleine Händler mit Produkten von Feld und Garten und Gütern des täglichen Bedarfs. Und ein Stimmengewirr, laute Musik, das Hupen von Autos – so ging’s weiter bis zu dem kleinen Hotel, das wir immer nehmen, das wunderschön in der Nähe des Tanganjikasees (http://de.wikipedia.org/wiki/Tanganjikasee) liegt, bei dem aber Geduld angesagt ist, denn praktisch nebenan ist die Moschee – Uvira (http://de.wikipedia.org/wiki/Uvira) liegt nahe am teilweise muslimischen Tansania (http://de.wikipedia.org/wiki/Tansania) und hat deswegen eine starke muslimische Minderheit. Und wir sind im Ramadan. Und die Moschee hat einen Lautsprecher – und was für einen! Und jeder, der ein muslimisches Land kennt, weiss, was nun kommt: Morgens um vier weckt der Imam die Gläubigen zum ersten Gebet und dann noch viermal und wegen des Ramadans darf die geschätzte Öffentlichkeit dann auch noch Predigten und Singsang über Lautsprecher lauschen. Aber man gewöhnt sich an alles.

Ufer des Tanganjikasees
Unten am See auch eine «Neuerung«. Der einst wunderschöne Sandstrand war übersät mit sagen wir mal Wohlstandsmüll. Die letzten Jahre des Friedens brachte für manche Familien einen ganz bescheidenen Wohlstand, der sich dadurch ausdrückt, dass die Segnungen der Plastikwelt genossen werden können – und so ist der Strand übersät mit Plastikmüll – eine Müllabfuhr kennen kongolesische Städte nicht. Alles wird ins Wasser geworfen oder in Bachläufe. Und nicht nur Plastik, sondern auch Batterien zum Beispiel. Unzählige Batterien verrosten an allen möglichen  Stellen vor sich hin. Ich sprach mit unseren Partnern über das hochgiftige Cadmiumproblem (http://de.wikipedia.org/wiki/Cadmium). Erstaunt antworteten sie, das wisse hier niemand. Alte Batterien werden einfach in die Landschaft geworfen. Batterie-Recycling ist, wie vieles andere auch an Umweltschutz, was wir in Deutschland im Laufe der Jahre mühsam entwickelt haben, im Kongo noch unbekannt.  
Aber noch anderes funktioniert nicht – oder nicht regelmässig. Zum Beispiel ist das Wasser stundenlang abgestellt und Elektrizität ist auch nur stundenweise zu bekommen. Und weil jetzt bald wieder abgeschaltet wird, muss dieser erste Eindruck für heute genug sein. Denn nachher haben wir wieder keinen Strom.

Freitag, 12.08.2011

Eigentlich hatte ich nicht geahnt, dass alles so drastisch kommen würde. Dabei wollte ich eigentlich schon gestern alles der Reihe nach erzählen…
Beim Nachtflug von Deutschland nach Afrika war Europa bestens ausgeleuchtet: Überall da unten künstliches Licht, auch die Altertümer an der Adriaküste und auf den griechischen Inseln ragen qus der dunklen Nacht hell hervor. Das setzt sich über Alexandrien (http://de.wikipedia.org/wiki/Alexandrien)und Kairo erstmal fort. Doch je weiter das Flugzeug seine Bahn in den Süden zieht, umso dunkler wird die Welt da unten. Nur hier und da flackert noch ein Lichtlein. Die Hauptstädte Khartou (http://de.wikipedia.org/wiki/Khartum) und Addis Abeba sind dann wieder hell beleuchtet. Ansonsten liegt Afrika im Dunkeln. Und zwar, das habt Ihr gestern schon gelesen, auch immer öfters da, wo Stromleitungen liegen, wo die Leute Fernseher, Kühlschraenke, Computer etc, haben. Ja, Afrika hat ein Energieproblem!
Und nicht nur eins: Das andere ist der Holzmangel, denn 90% der Haushaltsenergie südlich der Sahara (http://de.wikipedia.org/wiki/Sahara) ist Holz oder Holzkohle. Das muss ja irgendwoher kommen. Also wird abgeholzt. Für neue Aufforstung fehlt in der Armut meist das Geld oder das Wissen.
ûthiopien (http://de.wikipedia.org/wiki/ûthiopien) und Kenia (http://de.wikipedia.org/wiki/Kenia) sind bereits weitgehend kahl, man sieht hier und da noch kleine Haine: Was passiert aber, wenn die Wälder fehlen? Bäche und Flüsse trocknen aus, bringen allenfalls in der Regenzeit Wasser – und dann manchmal viel zu viel, denn da ist kein Wald, der das Regenwasser speichert. Ausserdem ist ein tropischer Regen oft so heftig, dass gewaltige Überschwemmungen auftreten. Der Priester in Bukavu, bei dem ich wohne, zeigt mir das Anwesen, dem eine Druckerei angeschlossen ist. Nebenan ein winziger Bach. Vor zwei Monaten hat er plötzlich über Nacht bei heftigen Regenfällen das gesamte Gelände überschwemmt. In den Wohnräumen stand das Wasser einen halben Meter hoch, Maschinen- und Materialverlust in Millionenhöhe....
Die Flüchtlingsnot in Somalia (http://de.wikipedia.org/wiki/Somalia), Kenia und ûthiopien ist also nicht allein Krieg und Klimawandel geschuldet, sondern auch dem immensen Holzenergiebedarf.
Im Kongo hat Lernen-Helfen-Leben e.V. aus Diepholz deswegen die Technik zur Herstellung holzsparender Lehmöfen eingeführt, welche die Familien sich nach einer kurzen Ausbildung selbst bauen können. Die Hausfrauen sind begeistert, weil sie jetzt nicht mehr soviel Zeit für Holzsuchen benötigen. Und wir können in ihren Dörfern in Ruhe aufforsten, ohne fürchten zu müssen, das die jungen Bäume gleich wieder verfeuert werden.

2.2 Wohnen auf dem Friedhof?!

12.08.2011
Der neueste Hit in der prosperierenden Provinzhauptstadt Bukavu (http://de.wikipedia.org/wiki/Bukavu) scheint »Wohnen auf dem Friedhof« zu sein. Von der Innenstadt geht’s im Süden runter in ein bewohntes Tal, das zwei oder drei Kilometer weiter östlich in den Ruzizifluss mündet, der die Grenze zu Ruanda bildet. Dazwischen liegt noch ein schmaler, früher kahler aber grüner Bergrücken, auf dem die Bevölkerung von Bukavu jahrzehntelang ihre Toten bestatteten. Ich erinnere mich noch gut, immer wieder kleine Trauergemeinden, die den Weg über den Friedhof ziehen, gesehen zu haben. Und was ist das heute? Zum grösseren Teil entweder Baustelle oder alles ist schon mit stattlichen Häusern bebaut. Die für das Land verantwortlichen Autoritäten haben sich wohl überreden lassen, diesen Friedhof in viele kleine Bauzellen aufzuteilen – und zu verkaufen. Meine Freunde sind wütend. Wo in der Welt gibt’s sowas, dass derart frevelhaft die Totenruhe gestört wird, um des schnöden Mammons willen? Lasst uns gar nicht erst fragen, was die afrikanischen Ahnen dazu sagen: Ob Wasser- und Strommangel, von dem ich gestern schrieb, gar ihre Antworten darauf sind?

2.3 Die Gründung einer Genossenschaft

Montag, 15. August
Gerade war der gesamte Bericht fertig, als im Internetladen die Stromversorgung zusammenbrach – der gesamte Text erstmal fort.  Das ist Afrika…. Jetzt versuche ich zu rekonstruieren…
Hier in Bukavu (http://de.wikipedia.org/wiki/Bukavu) hat eine «kleine Regenzeit« begonnen. Und am Wochenende hatten wir erstmal wieder häufiger Strom und vor allem fliessendes Wasser. Endlich Duschen!
Aber nun erstmal noch eine Beobachtung aus Uvira: In aller Frühe lief ich hinuter zum Tanganjikasee, um dort entlang zu Freunden zu gelangen, die etwas weiter im Süden der Stadt leben. Gerade / kurz nach 6 Uhr ging drüben über den Bergen Burundis eine blutrote Sonne auf. Romantik pur und daneben auch noch das Gezwitscher unzähliger Vögel. Ich freute mich auf den Sandstrand, doch dann erlebte ich eine weitere drastische Veränderung. Das einst wunderschöne Seeufer ist an vielen Stellen uebersät mit, sagen wir mal Wohlstandsmüll, also Plastik- und sonstige Produkte auis der viereckigen Welt der Industriegesellschaften, der genauso weggeworfen wird wie eine Bananenschale. Nur mit dem Unterschied: dies verrottet und jener Unrat bleibt erstmal. Unterwegs begann ich dann, mir eine Sammlung von Altbatterien anzulegen, die natürlich ohne «Batterierückgabeverordnung« (http://de.wikipedia.org/wiki/Batterieverordnung) genauso achtlos fortgeworfen warden wie alles andere auch. Mangels gewählter Lokalvertreter ist eine Müllentsorgung unbekannt im Kongo und wenn eine Batterie da am Strand durchgerostet ist, versickert das Cadmium und was sonst noch da drin ist, einfach im Boden. Ich erläuterte meinen kongolesischen Freunden später das Problem. Sie staunten und sagten, hier wisse niemand, wie giftig Batterien (http://de.wikipedia.org/wiki/Batterie_%28Elektrotechnik%29) sind. Jeder, aber wirklich jeder werfe alte Batterien einfach weg. Wir überlegten, ob vielleicht Schulkinder für ein paar Franc Congolaise (http://de.wikipedia.org/wiki/Kongo-Franc) Altbatterien wieder einsammeln könnten (1000 FC ein Dollar). Dies sei eine gute Idee, was aber dann mit dem Batteriemüll?
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Emfang in Kiliba
Am nächsten Morgen stand der Besuch der Reisfelder von Kiliba (http://www.jugendserver-niedersachsen.de/uploads/pics/congo615.jpg) auf dem Programm. Wir haben vor Jahren mit Fördermitteln des dt. Entwicklungshilfeministeriums BMZ (http://de.wikipedia.org/wiki/Bundesministerium_für_wirtschaftliche_Zusammenarbeit_und_Entwicklung) die dortige Drainage (http://de.wikipedia.org/wiki/Drainage_%28Boden%29) saniert. Was noch fehlt sind Duschen für die Bäuerinnen auf den Feldern und eine weitere Reismühle, damit an Ort und Stelle geschälter Reis hergestellt werden kann. Dafür hat uns jetzt die niedersächsische Bingostiftung (http://www.bingo-umweltstiftung.de/) Mittel zur Verfügung gestellt und ich war nach Kiliba gefahren, um mir die erworbenen Grundstücke anzuschauen und den Projektvertrag öffentlich zu unterzeichnen. Jean-Ferdinand, unser Projektpartner, hatte wieder einmal einen «grossen Bahnhof« organisiert: Ein riesiges Empfangskomitee, mit Plakaten worauf «LHL« und unsere Namen prangten. In einer langen «Prozession« zogen wir hinaus auf den Fussballplatz, wo dann die Honoratoren erstmal ihre Reden hielten, allen voran der Bürgermeister. Er betonte, dass er inzwischen den Markt am Rande der Reisfelder eingerichtet habe, so dass der frisch geschälte Reis künftig an Ort und Stelle vermarktet warden kann – und dort werden dann auch andere Güter des täglichen Bedarfs angeboten. Eine der Bäuerinnen erinnerte sich in ihrer Ansprache daran, wie ich vor sieben Jahren erstmals nach Kiliba kam. Damals war die Gegend noch Kriegsgebiet und die örtlichen Milizen hielten unsere Delegation erstmal stundenlang im Auto fest, bis unser Aufenthalt geregelt war. Heute war alles anders. Wie immer kamen danach auch weitere Wünsche zum Vorschein, zum Beispiel, dass man doch wieder Geld zur Reparatur der gesamte Drainage benötige. Das war für mich ein gutes Stichwort. Ich sagte, denkbar sei, dass wir in den nächsten Jahren noch einmal das eine oder andere fördern könnten (z.B. müsste der Übergang vom Fluss zum Hauptkanal neu gefasst werden, wie man mir vorher gezeigt hatte), aber all die kleineren Reparaturen müssten eigentlich all jene finanzieren, die vom Reisanbau profitieren. Ich empfahl die Einrichtung eines Fonds, in den alle Reisbauern jedes Jahr einen kleinen Betrag einzahlen. Erst wenn das funktioniere, dann könne ein neuer Projektantrag  geschrieben werden. Der Bürgermeister hatte dann auch noch ein Stichwort gegeben, das ich gerne aufgriff: Die Gründung einer Genossenschaft (http://de.wikipedia.org/wiki/Genossenschaft), die dann Reparaturen, den Betrieb der Mühle, das Waschhaus sowie den Verkauf des Reises organisieren könne. Auf dem Rückweg wurde der Gedanke unter allen Teilnehmnern breit diskutiert. Bin mal gespannt, was daraus wird. 

An der Hauptstrasse hatte ich dann auf den Bus zu warten, mit dem’s weiterging nach Bukavu. Endlich kam der Bus und der war eigentlich schon voll. Aber irgendwie passte ich noch rein. Also, die Grösse eines VW-Busses, mit genau 19 Insassen. Vorne beim Fahrer sass man zu dritt, dann noch vier Reihen je vier Personen – wie die Heringe, aber die Stimmung war gut und das ist Transport im Kongo.

2.4 Mikrokredite


Mikrokredite
Heute war der Besuch von Mikrokreditgruppen an der Reihe. Zunächst sass ich mit Antonius, meinem Ubersetzer und den Gruppenleiterinnen zusammen. Sie berichteten mir von den Aktivitäten. Fast alle Gruppen betreiben Kleinhandel mit den Krediten im Bereich von 100 Dollar pro Jahr. Jeden Monat werden ungefähr 8 Dollar zurückgezahlt plus Zinsen. Das erstaunliche ist, dass die Frauen damit ganz viel bewirken können. Sie berichteten, jetzt könnten sie das Schulgeld für die Kinder zahlen, oft auch die Miete und weitere Kosten. Generell funktioniert das System so, dass die Partnergruppen jeweils einen grösseren Betrag bekommen, den sie an Kreditgruppen von 10-12 Personen weiterreichen, in denen Mikrokredite (http://de.wikipedia.org/wiki/Mikrokredit) zwischen 10 (!) und 100 Dollar, gelegentlich auch 200 Dollar pro Person rotieren. Die Einzelpersonen stellen Anträge und ein Komitee entscheidet über die Vergabe. Eindrücklich ist, wie viele Kleinstkredite vergeben werden und während des gesamten letzten Jahres zurückgezahlt wurden, so 0,90 Cent im Monat... Mit jeder Rückzahlung vermindert sich die Zinslast. Offensichtlich sind die Frauen mit dem System sehr zufrieden. Jedenfalls äusserten sie dies heute vormittag - und ich habe diese Frauen schon in grosser Verzweiflung erlebt. Viele von ihnen sind alleinstehende Frauen, nicht wenige von ihnen wurden während des Krieges (http://de.wikipedia.org/wiki/Zweiter_Kongokrieg) vergewaltigt. Ich kann mich noch gut an einen Besuch von 2004 in diesen Gruppen erinnern, wo mir eine Reihe von vergewaltigten und misshandelten Frauen unter Tränen ihre Geschichten erzählten. Heute ist diese Phase vergessen.

2.5 Weitere Projekte


Waisenkinderschule Tunza la Mayatima, Schulneubau

Aufbau einer Ziegelei im Süd-Kivu
Samstag besuchten wir zwei weitere Projekte am Rande von Bukavu. Die Waisenkinderschule Tunza la Mayatima (http://www.paxchristi.de/nordsued/nordsued.5.9/nordsued.5.2/nordsued.5.2.4/index.html), für deren Schulneubau das BMZ einen Zuschusse gegeben hat und die Vorbereitung für eine der Ziegeleien, die in den nächsten Wochen im Süd-Kivu (http://de.wikipedia.org/wiki/Sud-Kivu) gegründet werden sollen. Von der Schule stehen schon die Grundmauern und die Pflegeeltern der Kinder und viele ehemalige Kindersoldaten (http://de.wikipedia.org/wiki/Kindersoldat), denen wir eine Schreinerausbildung in dem Stadtteil gegeben haben, helfen an diesem Samstag mit. Diese freiwillige Arbeit ist ein wichtiger Beitrag zum Gelingen des Projektes. Das Gelände in einem Tal mit alten Bäumen und vielen Bananenstauden umgeben gefällt mir sehr gut. Die Lehrergehälter werden übrigens seit Jahren von einer Pax Christi-Gruppe aufgebracht. Später soll diese Schule einmal von einer Stiftung finanziert werden, deren Basis wir auch an diesem Tag besichtigen konnten, nämlich den Bau von einigen Baracken in Nzangezi auf einem Gelände, wo sich Lehm und Ton findet und wo wir die Ziegelei einrichten wollen. Aus Belgien kommen Ziegelpressen und dann werden u.a. auch Dachziegel hergestellt. Auch hier sollen für die erste Zeit zahlreiche ehemalige Kindersoldaten eingesetzt werden.

Nun wird dies noch einige Wochen dauern, bis die Ziegelpressen eintreffen. Bis dahin wollen die Freunde das Gelände nutzen und Lorena-Öfen (http://www.kongo.l-h-l.org/?Kilueka%2FBas-Congo:Lorena-Herde_in_Bas-Congo) herstellen. Wir haben verhältnismässig erfolgreich in den letzten Jahren im Kivu holzsparende Lehmöfen eingeführt. Überall, wo sie eingesetzt werden sind die Frauen begeistert, sparen sie doch über 50% Holz ein und vor allem die Herstellung ist ziemlich einfach, wenn man mal weiss wie - und kostet kein Geld. Wer einmal solche Öfen bauen kann und fleissig ist, kann inzwischen den Ofen für 5 Dollar verkaufen und hat ein schönes Einkommen, denn pro Tag lässt sich problemlos solch ein Ofen herstellen.

2.6 Zurück aus dem Hinterland

...im Moment habe ich nur einen Computer mit völlig verdrehten Buchstaben – wir sind aus dem "Hinterland" zurück... (Heinz Rothenpieler aus Afrika)

Samstag 13 August
Letzte Nacht glaubte ich geträumt zu haben, ganz viel Regen sei gefallen - in der Trockenzeit: Doch als die Sonne aufgehen sollte blickte ich in einen regenverhangenen Himmel und der Gemüsegarten vor meinem Schlafzimmerfenster dampfte und duftete ganz frisch. Die Pflanzenwelt war erlöst und zeigte sich mit frischem Grün und vieles mit schönsten Blüten: Dafür waren draußen die Straßen hoch nach Panzi eine einzige Schlammpiste - für die Autos fast so wie Glatteis im deutschen Winter. Chris drehte den Jeep mit Vierradantrieb auf und kam gut voran und weiter oben - Bukavu liegt etwa 1500 Meter hoch, unser Ziel mindestens 1800 Meter, ließ auch der Regen nach und die Straßen waren nicht mehr so matschig. Mitten in der Stadt verwandelten sich fast alle Straßen in Schlammwüsten, doch am Rande saßen ganz stoisch die vielen Verkäuferinnen und boten ihre Produkte an; wie bei jedem anderen Wetter auch. Da sind die Frauen, die mit allen Arten von Fisch handeln, andere bieten Brot feil, Bananen, Maniokmehl, Amarandgemüse, gebunden in kleinen Ballen, Eier; sehr viel Holzkohle und nicht zuletzt Biscuits: Etwas komfortabler kleine Holzhäuschen miit Verkäufern von Telefoneinheiten.
Wir fahren hinaus an den Rand von Panzi, hoch oben über dem Ruzizi-Tal: in der Ferne unten sehen wir den Grenzfluss zu Ruanda (http://de.wikipedia.org/wiki/Ruanda): Wir biegen ab in ein Wiesental mit vielen Bananenstauden. Gerade noch waren wir im Wohngebiet und schon kamen wir zur Baustelle für die neue Schule. An diesem Samstag sind viele Freiwillige Helfer gekommen, tragen Steine, roden das Gelände oder mischen Zement: Die Grundmauern aus Naturstein stehen schon. Nächste Woche dürften die Ziegelsteine angeliefert werden: Das Projekt wird von Dialog International getragen in Zusammenarbeit mit Pax Christi, eine Partnerorganisation von LHL. Die wesentliche Förderung kommt vom dt. Entwicklungshilfeministerium.
Später fahren wir in Serpentinen weiter hoch durch viele Bananenplantagen. Emmanuel und Flavien beklagen, dass leider 70 Prozent dieser Bananen nicht etwa zum Verzehr produziert würden, sondern zur Herstellung von Bananenbier, das sich in den kleinen Kantinen und Restaurants, die an jeder Ecke der Stadt betrieben werden, findet und sich größter Beliebtheit erfreut - und dazu noch deutlich billiger ist als "Primus"; die offizielle Biermarke des Kongos: Natürlich ist auch Alkoholismus im Kongo ein Problem, vor allem bei Männern und wenn dann die Ehefrauen alleingelassen sind, um 5 oder 7 Kinder durchzubringen, ist das Leben für diese Frauen härter als es ohnehin schon ist.

2.7 Heri Kwetu heißt Glück unter uns

Dienstag 16. August
Pater Clemens hat schon seit Tagen gefragt wann wir Zeit hätten, mit ihm rüberzulaufen zu Heri Kwetu, einer Einrichtung für behinderte Kinder. Der Name bedeutet soviel wie "Glück unter uns".
Heute früh kommen wir endlich dazu: Wir werden von der Gründerin, einer noch rüstigen zerbrechlich wirkenden spanischen Schwester empfangen; die ein wirklich beachtliches Werk für junge Menschen mit verschiedensten Behinderungen geschaffen hat: Ohne Zweifel haben die Kinder, die hier aufgenommen sind, Glück gehabt; dass sie überhaupt behandelt werden von ûrzten , Therapeuten und Schwestern. Wir sehen viele ehemalige Kindersoldaten; die ein Bein verloren haben; auf Krücken gehen oder schon ein Holzbein besitzen. Wir sehen Blinde und Taubstumme. Ein paar hundert Meter weiter ist ihre Schule und Pater Clemens berichtet, das sie dort mit gesunden Kindern zusammen unterrichtet würden. Besonders rührend sei zu sehen, wenn nach dem Unterricht die taubstummen Kinder die Blinden zurück ins Internat brächten: Sie lernen dort Brailleschrift (http://de.wikipedia.org/wiki/Brailleschrift) und Zeichensprache…..Nebenan hat ein Arzt Sprechstunde. Mütter mit behinderten Babies bekommen Hilfe, andere Massagen oder Gelenkübungen: Andere müssen im Gipskorsett liegen zur Korrektur von Verwachsungen: Vieles wird mit Spendengeldern aus Deutschland finanziert. Pater Clemens lapidar: Die Spendengelder sind hier wirklich gut investiert.
Mich persönlich interessieren noch die Häkeleien eines taubstummen Mädchens. Sie hat Plastiktüten in kleine Streifen geschnitten und häkelt damit die schönsten Tragetaschen, mit Mustern und bunten Farben....
Anschliessend kommt Emmanuel mit Chris, unserem Fahrer und los geht die Fahrt hinaus aufs Land...

2.8 Baumschule

Mushenyi, Mittwoch 17. August
Schon früh kann sich der Hahn gar nicht mehr beruhigen. Ob schon so viele Eier gelegt wurden? Wir sind in Musehenyi, ein paar hundert Meter hoeher als Bukavu im Ruziztal. Gestern hat sich der Wagen die engen Serpentinen den steinigen Weg hochgewunden, neben uns hundert und mehr Meter tiefer steiler kahler Abhang. Aber hier oben eine liebliche Hochebene, umrahmt von weit höheren Bergen: Draußen ist es noch stockdunkel, trozdem erwacht die Umgebung. Irgendwo in der Ferne singen die Leute. Inzwischen dämmert der Morgen und wir sehen in einen wolkenverhangenen Himmel. Und was keiner von Euch glauben mag: Hier oben ist das lausig kalt. Ich sitze mit Pullover und Anorack auf der Terrasse. Trotz allem haben wir uns entschlossen im Freien zu frühstücken. Emmanuel hat gestern frisches Brot mitgebracht von der Bäckerei der ehemaligen Kindersoldaten, denen wir im vorigen Jahr einen hozsparenden Lorena-Backofen finanzieren konnten. Das Brot schmeckt hervorragend. Dazu gibts Bananen, Tee, Pulverkaffee und einige gebratene Eier. Butter, Marmelade oder gar Käse oder Wurst - sowas ist hier unbekannt. 

Anschliessend fahren wir hinauf zum Zentrum unserer Partnerorganisation. Die Ankunft des Jeeps mit den Basungus ist für die Kinder die Sensation des Tages. Als wir schließlich ankommen, werden wir schon von vielen Menschen erwartet: Zuerst die 15 Baumschulgärtner neben ihrer Baumschule (http://de.wikipedia.org/wiki/Baumschule) mit vielen kleinen Pflänzchen. Dann von fast 50 kleinen Kindern im Alter von 3-5 Jahren mit viel Gesang. Sie sind die Marifiki zu Mazingira - die Freunde der Umwelt. So heisst der Kindergarten, den wir dort mit Hilfe des Roten Kreuzes auf Rügen einrichten konnten. In den nächsten beiden Stunden zeigten uns die Kinder, was sie schon gelernt hatten - vor allem zum Umweltschutz und dass Bäume gepflanzt werden müssen. Dann redete der Bürgermeister, der Pfarrer, die Projekttleiter und schließlich auch eine Vertreterin der Eltern. Die berichtete, die Kinder kämen schon mit vielen neuen Ideen nach Hause. Die Kinder machen schon einen selbstbewussten Eindruck und als wir nachher auf der Wiese noch "Dreht euch nicht herum, der Plumpsack geht herum" spielen, sind sie ganz in ihrem Element. Vorher hatten sie noch ganz geduldig die langatmigen Reden angehört. Die Reden waren in drei Sprachen, teils französisch, teils kisuaheli, teils in der Muttersprqche mashi - und die Kinder hatten die wenigsten Schwierigkeiten zu folgen, sie sprechen oder lernen alle drei Spachen, schon im Kindergarten.

Als das Kinderprogramm fertig ist, komme ich mit ein paar Jugendlichen ins Gespräch. Einer trägt ein Transistorradio. "Was machst du mit den Batterien, wenn sie leer sind?" Antonius übersetzt. "Irgendwohin wegwerfen" ist die Antwort. Ich versuche zu erklären, dass der Inhalt hochgiftig ist. Die Umstehenden wissen das alle nicht. "Wir werfen die Batterien auch oft in die Latrine". "Ausgerechnet dahin, wo der beste Kompost (http://de.wikipedia.org/wiki/Kompostierung) entstehen kann," sage ich. "Kompost mit der Latrine?" wird ungläubig gefragt. Da fällt einem ein.. ja, das stimmt, dort wo früher die Latrine war wuchsen heute die besten Bananen. Damit waren wir schon beim nächsten Thema: die Toiletten. Ein Kichern ging durch die Runde, aber alle waren voll dabei, ein heisses Thema. In Afrika sind Toiletten auf dem Land meist Latrinen bzw. wie man früher in Deutschland sagte, "Donnerbalken" (http://de.wikipedia.org/wiki/Donnerbalken). Ein tiefes schwarzes Loch, darüber einige Bretter, bestenfalls noch ein Balken, auf dem gesessen werden kann. Und wenn alles voll ist, wird das nächste Loch gegraben. Zugegebenermaßen sprechen auch in Mushenyi die jungen Leute nicht alle Tage über ihre Toiletten. Sie stinken und sind voller Ungeziefer und eigentlich hatten wir ein Tabuthema angesprochen. Doch dann erzählte ich, dass bei entsprechender Behandlung durch die Mikroben (http://de.wikipedia.org/wiki/Mikroben) im Laufe der Zeit der beste Dünger entstehen. Man wollte unbedingt mehr wissen, wie das alles besser gemacht werden könne und ich versprach später weitere Infos zu schicken....

2.9 Straßensänger


Mushenyi, 17. August
Neben mir stand ein vielleicht 12-jähriger Junge und erst dachte ich, er habe eine selbstgemachte Machete aus Holz als Spielzeug in der Hand, aber dann sah ich, dass an einem Ende eine Plastikflasche, wie für Seife oder Duschgel, befestigt war und davon gingen drei Plastikfäden zum anderen Ende - eine selbstgemachte Gitarre und siehe da, sie funktioniert und ich ahnte ja nicht, einen kleinen Künstler da vor mir zu haben!
Die anderen forderten ihn auf, doch mal zu singen und das ließ er sich nicht zweimal sagen und legte los. Die selbstgebastelte Gitarre gab ganz respektable Töne von sich, aber noch sehr viel besser war sein Gesang. Der Beifall war verdient und wie sich das für einen Straßensänger gehört, hielt er dann beim Muzungu (http://en.wikipedia.org/wiki/Mzungu) für den er gesungen hatte die Hand auf und bei solch einer Vorführung musste sie natürlich auch mit einigen Franc Congolais gefüllt werden. Beim Photo fand dann auch noch der Bart des Gastes aus Deutschland größeres Interesse...

2.10 Goldgräber




Donnerstag, 18. August
Wir fahren durch Luhwinja, wo Dialog International (http://www.dialog-international.org/) schon vor 10 Jahren eine Aufforstung begann. Doe Bäume haben inzwischen eine stattliche Höhe erreicht. Luhwinja steht aber auch für einige gravierenden ûnderungen die hier vor sich gehen. Da gibts nicht nur heisse Quellen die vielleicht einmal ein Heilbad begründen können, sondern hier wird seit langem auch Gold gefunden. Vor einigen Jahren ist einmal der Mwami - König - von Luhwinja in Lyon, Frankreich, von einer Goldmafia ermordet worden. Inzwischen hat der kanadische Goldkonzern Banro (http://www.banro.com/s/Home.asp) Schürfrechte erworben und macht sich in der Gegend breit. Beim letzten Besuch waren die Eingriffe in die Landschaft noch bescheiden, doch inzwischen lässt Banro an vielen Stellen praktisch keinen Stein auf dem anderen. Vor allem wurden in  die eindrucksvolle Gebirgslandschaft, die ein wenig mit dem Allgäu verglichen werden kann, breite Autostrassen gebaggert, wo sich oft zwei Lastwagen begegnen können, die auch Tag und Nacht da fahren. Das wäre für sich genommen kein Problem, wenn nicht das gesamte ausgebaggerte Geröll die Abhänge hinuntergekippt worden wäre, die schon vorher kahl und extrem erosionsgefährtet de.wikipedia.org/wiki/Bodenerosion) waren. Offenbar hat Banro dafür nicht das geringste Verständnis. In der nächsten Regenzeit werden von oben weitere Erdmassen runterrutschen und wieder in die Tiefe gebaggert usw… .  Von dringenst notwendigen anti-erosiven Massnahmen keine Spur. Wir sind erstmal total entsetzt, was die Gier nach Gold an Umweltschäden nach sich zieht. Uber die Pisten braust ein Lastwagen nach dem anderen. Von weitem gesehen verwandelt sich die einst wunderschöne in eine Bergbaulandschaft. Hier findet eine Naturzerstörung in großem Maßstab statt. Die Piste führt hinauf nach Burhinyi und dann um einem Berg, der oben abgetragen wurde und immer weiter abgetragen wird. Geröll, das nicht benötigt wird, kippt man einfach in die Tiefe. Hier wird offenbar nach Gold gebuddelt mit aller Großtechnologie. An einer Stelle wurde von unserer Aufforstung (http://de.wikipedia.org/wiki/Aufforstung) ein Hektar einfach zugekippt. Der allgemeine Eindruck ist, dass die Kanadier denken, sie könnten in den Tropen (http://de.wikipedia.org/wiki/Tropen) genauso schalten und walten wie zu Hause. Dabei ist die tropische Welt gegenüber menschlichen Eingriffen extrem empfindlich....

2.11 Schadensersatz für Umweltzerstörung

18.8.2011
Leider geht der ganze Reichtum, der an Bodenschätzen seit der Kolonialisierung (http://de.wikipedia.org/wiki/Kolonialismus) des Kongos durch die Belgier bis heute gefunden wird an den meisten Kongolesen spurlos vorbei. Konzerne wie Banro haben langjährige Lizenzen (http://de.wikipedia.org/wiki/Lizenz) vom kongolesischen Staat erworben und sich sogar für längere Zeit Steuerbefreiung (http://de.wikipedia.org/wiki/Steuerbefreiung) ausbedungen. Auch ihre Lohnzahlungen sind in der Regel ohne jede soziale Absicherung, wie uns Banro-Arbeiter aus Burhinyi bestätigten. Dabei sind die meisten Löhne recht bescheiden und liegen bei 125 Dollar im Monat. Die Bevölkerung rundrum ist bitterarm und kämpft oft ums Überleben, die Nahrungsmittelproduktion zumindest ist sehr bescheiden. Maniok (http://de.wikipedia.org/wiki/Maniok) ist Hauptnahrungsmittel, mit allen Nebenwirkungen wie z.B. die »Mosaikkrankheit« (Pflanzenvirus) de.wikipedia.org/wiki/Pflanzenvirus, verursacht durch übermässigen Maniokverzehr. Dies ist die hauptsächlichste Erkrankung in dieser Gegend.

Man kann vielleicht Erklärungen dafür finden, warum diese wunderschöne Natur hier jetzt in eine Industrielandschaft umfunktioniert wird und einige Menschen profitieren auch durch eine feste Anstellung davon. Trotzdem sind die negativen Folgen dieser Tätigkeit in Zukunft dieser Landschaft vor allem dann sehr gravierend, wenn sich Banro nicht um die Folgen der Erosion kümmert und entsprechende Vorsorgemassnahmen trifft. Bisher ist davon keine Spur zu sehen. So müssten an einigen Stellen hohe Mauern errichtet werden oder wenigsten anti-erosive Pflanzen wie Tripsacum (http://www.google.de/search?q=Tripsacum&hl=de&client=safari&rls=en&prmd=ivns&tbm=isch&tbo=u&source=univ&sa=X&ei=7L1XTq3XA7H24QT7pa2LDA&ved=0CEEQsAQ&biw=1381&bih=1022) oder Setaria-Gras oder möglichst auch Bambus (http://de.wikipedia.org/wiki/Bambus) gepflanzt werden. Das Know-How dafür ist bei lokalen Organisationen durchaus vorhanden, nicht aber die finanziellen Mittel für solche Massnahmen. Und so was zu »sozialisieren« und durch Entwicklunghilfegelder zu finanzieren ist eigentlich nicht einzusehen…

Was in Europa inzwischen selbstverständlich ist, dass für Flächenverbrauch und Industrietätigkeit Kompensationsleistungen gefordert werden, z.B. Aufforstungen, dies müsste auch von einem Konzern wie Banro im Kongo gefordert werden. Banro wird in den nächsten Jahren Unmengen an Gold in dieser Gegend fördern können. Wie die Wirtschaftspresse seit einiger Zeit meldet, ist man auf eine äusserst ergiebige Goldader gestossen. Die Firma wird sich damit auch durch den beträchtlichen Anstieg des Goldpreises eine goldene Nase verdienen können. Da ist überhaupt nicht einzusehen, wieso die Allgemeinheit später einmal für die immensen Umweltschäden aufkommen soll, die durch ein der Natur gegenüber rücksichtsloses Wirtschaften verursacht werden…
Später sehen wir, dass an einer Stelle durch den Strassenbau ein erheblicher Teil unserer Aufforstung einfach zugeschüttet wurde. Unsere Freunde haben aus eigenen Mitteln den Abhang mit weiteren Bäumchen bepflanzt, damit dieser nicht durch weitere Erosion den Rest unserer dortigen Aufforstung schädigt. Wir haben beschlossen, bei Banro Schadenersatz zu fordern…

2.12 Chinesen in Afrika

Burhinyi, Freitag, 19. August 2011
In Burhinyi sind wir – wie immer bei – bei der franziskanischen Gemeinschaft (http://de.wikipedia.org/wiki/Franziskanische_Gemeinschaft) untergebracht. Pater Bavon, den Vorsteher, kenne ich schon seit vielen Jahren. Schon kurz nach der Morgendämmerung um 6 Uhr läuten die Glocken der Pfarrkirche. Kurz später höre ich Gesänge aus der Kirche, gehe rüber und finde Pater Bavon und Pater Jean Claude mit ca. 70 überwiegend Frauen bei der Morgenmesse, die übringens jeden Morgen um diese Zeit gefeiert wird. Die Gesänge sind wieder einmal wunderschön. Pater Jean-Claude erklärt mir später beim Frühstück, dass werktags die Gläubigen der näheren Umgebung kämen, sonntags dagegen kämen alle, auch von weither und die Kirche sei voll. Nach dem Frühstück ist Zeit für einen Spaziergang. Wir besichtigen zunächst den Ort, der für die Ziegelei vorgesehen ist, denn auch Burhinyi soll eine Ziegelpresse bekommen. Hier wollen wir dafür eine Genossenschaft gründen. Beim Bauplatz werden vorbereitende Arbeiten für mehrere Unterstände vorgenommen. Unter dem Mutterboden (http://de.wikipedia.org/wiki/Mutterboden) findet sich Lehm von hervorragender Qualität. Dann beschliessen wir, den lokalen »Chief de Localite« zu begrüssen, den Vertreter des Mwamis (Königs) für dieses Quartier von Mulamba. Wir müssen ein kleines Tal überqueren, wo unsere Partner eine Baumschule betreiben. Schon viele Pflänzchen warten darauf nach Ende der Trockenzeit ausgepflanzt zu werden. Dann steigen wir den Berg hinauf, entlang kleiner Gärten mit Bananenstauden und kommen zu einem grossen, alten, weit ausladenden Baum. Dahinter ist das etwas stattlichere Anwesen des lokalen Chefs. Ich kenne ihn schon und deswegen ist das Wiedersehen herzlich. Wir berichten ihm über unsere Vorhaben für die nächsten Tage: Besprechungen für die Gründung der Genossenschaft für die Ziegelei und die Gemüsegarten-Seminare für die Frauen. Wir sprechen aber auch über die erheblichen Eingriffe von Banro in die Landschaft. Der Chef ist darüber auch nicht glücklich und meint, Banro gehe einfach über die Einwände der Bevölkerung hinweg. …

Später gehen wir wieder zurück ins Zentrum von Mulamba zum Sitz unserer Partnerorganisation. Dort sind im Unterrichtsraum vielleicht 40 oder 50 Frauen versammelt, die sich normalerweise einmal im Monat hier treffen. Wir begrüssen sie und berichten, weshalb wir die Seminare zum Gartenbau (http://de.wikipedia.org/wiki/Gartenbau) anbieten. Ich sage, wir stellten uns vor, dass sie sich zusammenschliessen und gemeinsam Gemüse produzieren, das später vielleicht sogar bis nach Bukavu »exportiert« werden könne. Jedenfalls beherrschen bisher Kassava (http://de.wikipedia.org/wiki/Kassava?title=Kassava&redirect=no) und allenfalls Amarandgemüse (http://de.wikipedia.org/wiki/Amarant_%28Pflanzengattung%29) fast überall die Speisezettel. Wenn Burhinyi künftig eine grössere Vielfalt anbiete, werde dies sicherlich begehrt sein und zu einem guten Preis verkauft werden können. Aber, so meldet sich eine der Frauen, die grössere Produktion gelinge nur, wenn sie auch genügend Dünger hätten. Jetzt ist Shekur, unser Projektleiter, im Element: Ja, genau, die Herstellung von Kompost sei ein wesentlicher Bestandteil der Seminare in den nächsten Wochen und ich ergänze, dass ich eigentlich nicht verstünde, weshalb hier im Kivu landauf, landab soviel an organischen Pflanzenabfällen einfach auf den Feldern verbrannt würden anstatt kompostiert zu werden. Zwar dünge die Asche etwas die Felder, aber richtiger Kompost bringe doch sehr viel mehr. Hier scheinen grössere Wissenslücken zu bestehen. Wir kamen flugs in eine »Kompostdiskussion« und versuchten zu erklären, was die vielen Mikroben mit den organischen Abfällen machten und wieso daraus nach einiger Zeit guter »Mutterboden« entstehe.

Antonius war dann nicht mehr zu halten und stelle auch hier bei den Frauen die  »Batteriefrage«: Leere Batterien würden einfach weggeworfen – und zwar, so wurde auch hier ergänzt, oft in die Latrine. Wie schon in Mushenyi, so wusste man auch hier nichts über die Giftigkeit des Cadmiums in den Batterien. Auch hier bestätigte sich – nicht ohne Kichern – dass in der Nähe ehemaliger Latrinen die besten Bananen wüchsen. So waren wir schon beim nächsten Thema: Die Bedeutung der Toiletten für die Herstellung von Kompost. Alle waren hellwach, immer wieder Kichern, aber auch hier ein »heisses Thema«, das in Zukunft sicherlich noch bessere Antworten finden muss… Bei unserem Verein LHL arbeiten schon einige Mitglieder sehr intensiv an diesem Thema dank eines Seminars der deutschen GTZ (heute GIZ) www.giz.de und klar ist, dass wir auch für die Dörfer im Kongo über bessere Lösungen nachdenken müssen…

Am Abend lief wieder der Generator (http://de.wikipedia.org/wiki/Elektrischer_Generator). Die Patres haben zwar einen Fernseher, können aber nicht fernsehen. Stattdessen lief ein Video und wir tranken ein »Primus«-Bier. Gezeigt wurde ein traditionelles kongolesisches Tanz- und Musikprogramm mit einer Gruppe aus der Kivuprovinz. Das wäre eigentlich nichts Besonderes gewesen, wenn nicht gleichzeitig chinesische Darsteller mitwirkten und versucht hätten, die kongolesischen Tänze zu imitieren. Chinesen sind inzwischen im Kongo überall tätig (ARTE Doku-Link: www.arte.tv/de/2408600,CmC=2409104.html), im Handel, im Strassenbau und weiteren Projekten. Im Film wurden sie gelegentlich neben ihrem Bagger gezeigt, wie sie dann z. B. beim Bauchtanz kräftig mitmachten. Und genau das war dann für die kongolesischen Betrachter im Raum so ungemein lustig, dass man sich vor Lachen sozusagen kringelte. Diese verkrampften Chinesen beim Bauchtanz – das war der Gipfel der Heiterkeit. Schliesslich fragte mich Pater Bavon, ob ich schon Bananenbier getrunken habe. Nein, hatte ich noch nicht. Er kam mit einer Flasche an und wir durften kosten. Der Geschmack erinnerte mich ein wenig an Apfelwein, alles aber etwas bitterer, aber vielleicht deswegen durchaus magenfreundlich, wie mir Pater Bavon versicherte. Ein bisschen wacklig auf den Beinen kehren wir schliesslich in unsere Schlafräume zurück und verkriechten uns unter dem Moskitonetz.

2.13 Die Genossenschaft

Samstag, 20. August
Am Nachmittag haben wir viele Männer Burhinyis und einige Frauen zu einer Informationsveranstaltung über die künftige Ziegelei eingeladen. Ich erzähle ausführlich, wie das Projekt entstanden ist, wie alles ablaufen soll und vor allem, dass nun auch in Burhinyi eine Genossenschaft für die Ziegelei und vielleicht auch für bäuerliche Ein- und Verkäufe gegründet werden soll. Ich berichte, wie die Genossenschaftsbewegung im 19. Jahrhundert (http://de.wikipedia.org/wiki/Genossenschaftsbewegung) in Deutschland entstanden ist. Die Armut der Bauern im Westerwald habe Friedrich Wilhelm Raiffeisen (http://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Wilhelm_Raiffeisen) das Motto »Einer für alle – alle für einen« entgegengestellt und sie damit aus der Armut herausgeführt. Dies beeindruckte die Zuhörer sichtlich. Damit konnten sie sich identifizieren. Jetzt waren sie in dieser Armut und diese Genossenschaft könnte etwas Hoffnung bringen.

Wir überlegten, was bis zum Eintreffen der Ziegelpressen, was noch einige Wochen dauern könne, getan werden könnte und da stellte sich heraus, dass in Burhinyi der mobile holzsparende Lorena-Ofen noch unbekannt ist. Und dabei sei der Holzmangel ein erhebliches Problem. Antonius erklärte ausführlich die Funktionsweise und schnell war vereinbart, dass er in drei Wochen noch mal nach Burhiny kommt und die ersten Lorena-Öfen baut. Wenn erst mal das »Know-How« da ist, dürfte der Rest – die Verbreitung der Kenntnisse zum Bau des Ofens von selbst laufen…

2.14 Von Königen und Philosophen

Sonntag, 21. August
Wir sitzen allein am Frühstückstisch. Die meisten Franziskanerpatres sind schon kurz nach Sonnenaufgang nach Kaniola (http://www.maplandia.com/democratic-republic-congo/shaba/kaniola/) aufgebrochen, ein Ort ein paar Stunden mit dem Auto im Norden zu erreichen, wo an diesem Sonntag 6 oder 7 neue Priester geweiht würden, wie sie uns am Vorabend erklärten. Schon am Sonntag zuvor seien in Panzi bei Bukavu ebenso viele Priester neu geweiht worden und vor 14 Tagen in der Kathedrale über 10 Neupriester. Von Priestermangel sei in der Diözese Bukavu nichts zu spüren.
Die sonntägliche Messe ist erst um 10.30 Uhr. Die Kirche ist kurz später bis auf den letzten Platz besetzt. Und noch immer strömen Gläubige hinein. Alle rücken enger zusammen. Ich schätze mindestens 500 Personen. Während  Pater Bavon mit den Ministranten zum Altar schreitet, singt der Chor schwungvolle Lieder zu denen alle im Takt klatschen und die Schulkinder tanzen um den Altar. Gottesdienstsprache ist Mashi. Anschliessend begrüssen uns viele Gläubige ganz herzlich. Einige haben wir schon in den Vortagen gesehen.
Nachmittags sind wir bei Mugoli eingeladen, der Königin. Der Mwami hat noch in Bukavu zu tun und lässt sich entschuldigen. Ihn werde ich nach unsere Rückkehr nach Bukavu treffen können. Mugoli kenne ich schon. Das Paar ist seit fast drei Jahren verheiratet. Der »Kronprinz« spielt schon draussen, das zweite Kind ist unterwegs. Mugoli ist ca. 25 Jahre alt und engagiert sich sehr für die Frauen Burhinyis. Deshalb hatte sie die Idee für die Gemüseseminare und ist sehr dankbar, dass diese jetzt dank der Bingostiftung (http://www.bingo-umweltstiftung.de/) stattfinden können. Sie lässt sich alles genau erklären, auch zur Ziegelei und will dann einiges über Deutschland (http://de.wikipedia.org/wiki/Deutschland) wissen. Vor allem kann sie sich nicht vorstellen, wie das im Winter ist und wie unser Leben dann funktioniert… Und dann werden wir mitten am Nachmittag zu Tisch gebeten, wo uns ein üppiges Mahl erwartet. Ich wollte eigentlich extra NACH dem Essen zu Mugoli kommen und allenfalls einen Tee trinken, aber meine kongolesichen Freunde bedeuteten mir, solche Sitten seien hier unbekannt. Wenn ich hier zum Essen eingeladen werde, sei das eine Ehre, die ich nicht ablehnen dürfe… Wir waren alle noch vom Mittagessen satt, aber da half gar nichts. Jetzt musste noch mal zugegriffen werden und dummerweise war die Küche von Mugoli richtig gut…
Während des Essen sprachen wir mit Mugoli über die Umweltschäden durch Banro. Auch sie macht sich Sorgen… Nach dem Essen verabschieden wir uns von Mugoli, sie wird morgen beim Gemüseseminar wieder mit dabeisein.
Danach sind wir noch mal beim Chef von Mulambi eingeladen zu einem Bier. Wir sitzen unter einem Sonnenschirm und erzählen ganz viel. Dank der Übersetzungskünste von Antonius geht das Gespräch ganz flott und wir lachen ganz viel. Dies waren vielleicht die schönsten Stunden für uns im Kongo. Doch dem wird noch eins drauf gesetzt. Nach dem Abendessen bei den Patres vertiefen wir uns in eine Diskussion über Philosophie. Besonders Pater Jean-Claude entpuppt sich als dezidierter Kenner deutscher Philosophie: Kant (http://de.wikipedia.org/wiki/Immanuel_Kant), Hegel (http://de.wikipedia.org/wiki/Georg_Wilhelm_Friedrich_Hegel), Heidegger (http://de.wikipedia.org/wiki/Martin_Heidegger), Nietzsche (http://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Nietzsche) sind plötzlich im 2000 Meter hohen Burhinyi Thema. Jean-Claude hat genau verstanden, dass sich bei diesen Philosophen einige wichtige Erkenntnisse fänden, trotz einiger anderer Probleme. Wenn Nietzsche etwa den »Tod Gottes« proklamiere, so spiegele dies, seiner Ansicht nach, den Zustand der damaligen deutschen Gesellschaft wieder, der dann geradewegs in den Ersten Weltkrieg geführt habe. Wir sitzen noch lange zusammen und alles funktioniert, weil draussen ein Generator brummt und somit Licht da ist und drinnen »brummt« Antonius und übersetzt alles genau. Er hat lange bei UNO-Organisationen (http://de.wikipedia.org/wiki/Vereinte_Nationen) als Übersetzer gearbeitet, ist also vom Fach und dadurch sind uns die interessantesten Diskussionen möglich. Und er übersetzt nicht nur, sondern gibt ab und zu auch ganz dezidiert seine persönliche Meinung kund…

2.15 Gemüseseminar

Montag, 22. August
Heute beginnt das erste Gemüseseminar für die Frauen. Wir begrüssen Mugoli und erläutern Sinn und Zweck und Programm des Seminars. Der Referent beginnt seine Erklärungen zur Anlage von Pflanzbeeten. Die Frauen haben sehr viele Fragen. Ich würde gerne die ganze Zeit bleiben, leider müssen wir nach einer Stunde aufbrechen, denn heute geht’s zurück nach Bukavu.
Wir fahren dann nach dem Mittagessen los und nehmen die Strasse durch Walungu (http://en.wikipedia.org/wiki/Walungu) über eine Hochebene, die besser und schneller ist als die Hinfahrt durchs Ruziztal. In etwas über zwei Stunden sind wir über viele tiefe Schlaglöcher gefahren und kommen verstaubt in Bukavu an. In den nächsten Tagen werde ich noch zahlreiche Sitzungen haben müssen, bis die Rückfahrt nach Uvira und dann wieder nach Bujumbura (http://de.wikipedia.org/wiki/Bujumbura) zum Rückflug angetreten werden kann.

2.16 Kongo-Rumba

Samstag 27.08.2011
Gestern früh haben wir Bukavu verlassen, wieder mit einem vollbesetzten Bus von Alpha-Car. Eigentlich ist die Stimmung ganz gut, wenn man eingeklemmt mit zahlreichen Mitreisenden unterwegs ist. Zwischendurch Pausen zum Kauf von Proviant - und natürlich die Grenzübertritte. Wir fahren eine halbe Stunde lang durch Ruanda - die Strassen sind hier viel besser, aber der Grenzübertritt und das zweimal, dauert länger als die Fahrt. Am frühen Nachmittag kommen wir in Uvira an: Glühende Hitze. Wir sind 800 Meter tiefer als Bukavu. Wir nehmen wieder Quartier im selben Hotel wie letztesmal. Das hätten wir besser nicht machen sollen, denn am Abend stellt sich heraus, dass genau nebenan eine Diskothek eröffnet wurde und jetzt am Wochenende ist Hochbetrieb. Kongo-Rumba (http://worldmusic.nationalgeographic.com/view/page.basic/genre/content.genre/rumba__congolese__780/en_US) aus allen Lautsprechern. Eigentlich höre ich diese Musik ganz gerne, aber nicht unbedingt, wenn ich müde bin. Kurz: mein Hotelzimmer lag genau daneben und eins der Fenster ging genau ins Treppenhaus der Diskothek. Also, ich habe die ganze Nacht kein Auge zugetan. Morgens um 5.30 sass ich neben dem gepackten Rucksack und mit Beginn der Dämmerung verlasse ich fluchtartig das Hotel runter an den nahen Tanganjikasee - welch eine wundervolle Stille. Draußen auf dem See die Lichter einiger Fischerboote. 

Zum neuen Hotel gings dann mit Motocycle.. Ich wurde aufgeklärt, dass Uvira keine Taxiautos hat, aber ganz viele Mopeds als Taxi. So hatte ich dem Fahrer meinen grossen Rucksack um den Rücken gehängt, denn ich wagte selbst nicht, damit auf ein Motocycle zu steigen. Ich selbst trug dann das restliche Gepäck. Dann gings mit gutem Tempo anderhalb Kilometer durch das Verkehrsgewühl. Hin und wieder hielt ich den Atem an, aber der Fahrer umkurvte alle Strassenlöcher ganz geschickt. Die Fahrt kostete 300 Franc Congolais, umgerechnet ein Drittel von einem Dollar. Inzwischen bin ich öfters mit diesen Motocycles gefahren. Die jungen Leute die das fahren sind alle nett und - offenbar recht ehrlich und hilfsbereit.

Wir sind nun in einem anderen Hotel einquartiert. Leider ist da tagsüber auch viel Lärm. Beim Mittagessen diskutieren wir über das Problem. Der Kongo hat noch keine gesetzlichen Regelungen über Ruhezeiten. Jedenfalls habe ich heute früh sehnlichst den Ruf des Muezzin (http://de.wikipedia.org/wiki/Muezzin) von der nahen Moschee ersehnt. Der Morgen war nicht mehr fern.

Jetzt kann ich nicht mehr viel schreiben. Der Internetladen hat zwar sechs Computer, aber nur einen mit Internetanschluss und draußen warten schon vier oder fünf weitere,  die auch gerne ins Netz wollen..

…update…
Die schlaflose Nacht hatte mir dann noch eine Magenverstimmung beschert, das heisst, ich hatte ziemlich viel Flüssigkeitsverlust, was in den Tropen nicht unproblematisch ist: draußen ist es wirklich sehr heiss und man hat eigentlich ständig Durst. Für den Fall hatte mir mein Doktor Tabletten mitgegeben, die aber wirkungslos blieben. Antonius verschaffte mir dann die Hilfe »Electrolife« - das Pulver kam ins Wasser und dem Magen gefiels - Made in India. Also die europäischen High-Tech-Tabletten sind nicht unbedingt besser und dazu noch teuer. Das Tütchen Electrolife kostete umgerechnet weniger als 10 Eurocent....

Uvira ist derzeit auch nur eingeschränkt mit Wasser versorgt. Hier hat es seit Mai nicht mehr geregnet. Man wartet sehnsüchtig auf die Regenzeit - oben in Bukavu hatten wir ja immer wieder Regen, aber nicht hier am Tanganjikqsee. Im Hotelzimmer steht ein Eimer Wasser und damit ist mir gestern eine Dusche gelungen, mit einer Tasse,  die zu diesem Zweck mitgeliefert wurde. Irgendwie gehts und nachher fühlte ich mich wieder ganz frisch. Bei solchen Gelegenheiten wird einem bewusst, wie kostbar Wasser ist und dass die meisten Menschen auf unserer Erde lange nicht so üppich Wasser zur Verfügung haben, wie wir in Deutschland. Und je mehr Wälder abgeholzt werden, umso mehr kommt der Wasserhaushalt durcheinander. Die Berge westlich von Uvira sind alle kahl....

Montag geht die Reise weiter über Bujumbura nach Addis Abeba (http://de.wikipedia.org/wiki/Addis_Abeba). Von dort vielleicht bald mehr.


2.17 Stromausfall zum Fussballspiel

Uvira, Sonntagabend, 28. August
Am Spätnachmittag sind wir zum Essen eingeladen. Vorher sitzen wir vor einem Fernseher und schauen uns ein Fussballspiel an. Die Mannschaft von Lubumbaschi gegen die Panther, also ein Spitzenspiel im Kongo. Das Spiel ist richtig spannend. Fällt nun ein Tor oder nicht? Da fällt etwas, nämlich der Strom fällt aus und zack ist der Bildschirm schwarz. So ein Mist. Dafür ist das Essen fertig, gekocht auf dem Lorena-Ofen. Wir sitzen auf der Terrasse, die Dämmerung bricht an, ganz schnell wird’s stockdunkel und eine Taschenlampe, später noch eine Petroleumlampe erleuchtet die Szene. Mein Lieblingsgemüse im Kongo, Amarand, wird serviert, dazu Pommes frites, Oguli (Foufou) de.wikipedia.org/wiki/Fufu, Bananen und natürlich für die Nicht-Vegetarier Hähnchenfleisch und Fisch. Zum Nachtisch wird Mango gereicht und Avocado. Wir erzählen noch lange und verabschieden uns dann, denn morgen ist Rückreisetag und wir müssen packen.

2.18 Zeitrechnung in ûthiopien!

Uvira, Montagmorgen, 29. August
Dicke Wolken am Himmel. Eigentlich haben wir noch keine Regenzeit. Kurz nach 9 sitzen wir mit Sack und Pack im Auto von Matthew und fahren Richtung Grenze zu Burundi. Und plötzlich beginnt\\\\'s in Strömen zu regnen. Eigentlich müssen wir nur wenige Kilometer bis zur Grenze fahren, aber im Kongo geht’s wie üblich über tiefste Schlaglöcher, die sich im Nu in Matsch verwandeln. Links und rechts militärische Anlagen, die UNO-Soldaten aus Pakistan bewachen sich selbst martialisch. Man sieht sie überall mit den Militärautos rumfahren, was sie wirklich machen, ist nicht ganz klar. Klar ist, daß sie für Nachwuchs bei kongolesischen Frauen sorgen und daß Pakistan dafür sorgt, daß entlang des Kivusees auf den Dörfern wo früher nur Christen lebten, Moscheen gebaut werden.

Dann die Grenze. Wir müssen ein paar Meter zum kongolesischen Grenzposten laufen und werden gut nass. Dort warten viele Kongolesen auf ihren »Laisser passé«, welchen sie – neben ihrer Wahl-Registrierungskarte, der als Personalausweis gilt – für die Einreise nach Burundi benötigen. Kostenpunkt: 2 Dollar. Immerhin benötigen umgekehrt die Burunder, die in den Kongo reisen, auch sowas. Ausländer müssen – hier ausnahmsweise mal elektronisch – registriert werden und wie üblich werde ich nach meinem Beruf gefragt: »Pädagoge«. Ok. Weiter geht’s nicht, denn jetzt fällt auch hier der Strom aus. Nichts geht mehr. Der Beamte geht nach draussen, ein Generator wird angeworfen. Der Computer kann wieder hochgefahren werden und wir bekommen unsere Pässe zurück mit einem weiteren Stempel.
Dann laufen wir zu Fuß rüber zur burundischen Seite. Dort muß ein Transitvisum (http://de.wikipedia.org/wiki/Visum) beantragt werden. Dies kostet 40 Dollar, die erst bezahlt werden müssen. Hier scheinen die Damen das Geld zu verwalten und dann bekommen wir – von Männern – den Stempel in den Pass und können wieder zum Auto gehen.

Die Fahrt zum Flughafen dauert dann nicht mehr so lange wie der Aufenthalt an der Grenze. Ein paar Stunden später sitzen wir im Flugzeug nach Addis Abeba. Neben uns viele Familien, offenbar auf Rückreise nach Ferienende. Unter uns gewaltige Wolkenberge: Auch hier kündet sich die Regenzeit an. Zur Zwischenlandung in Nairobi durchstösst das Flugzeug ganze Wolkenberge, die wie eine Lasagne geschichtet sind. Darunter ist – endlich die kahle, abgeholzte Landschaft rund um Nairobi zu sehen, nach der langen Trockenzeit noch braun in braun. In Nairobi wird das Flugzeug richtig voll. Fast alles »Safari-Touristen«. Vor mir ein Quintett junger englischer Damen, die nach dem Genuss von einem Glas Wein noch mehr kichern als vorher. Nervt ein bißchen. Nebenan zwei Chinesinnen. Zufällig sehe ich: Reiseziel Peking. Wirklich, überall in Afrika finden sich inzwischen Chinesen, die bei der lokalen Bevölkerung alles andere als beliebt sind....

Im Flugzeug habe ich Zeit mich auf ûthiopien vorzubereiten. Dazu hilft das Magazin der Fluggesellschaft mit einigen Informationen. So lerne ich – und das fasziniert mich geradezu – dass ûthiopien eine ganz andere Zeitrechnung hat als die Industrieländer. Man folgt noch dem julianischen Kalender (http://de.wikipedia.org/wiki/Julianischer_Kalender) und der »hinkt« 7 Jahre hinter dem gregorianischen (http://de.wikipedia.org/wiki/Gregorianischer_Kalender) hinterher. Wir schreiben also das Jahr 2004. Papst Gregor hatte im 16. Jahrhundert die nach ihm benannte Kalenderreform in der katholischen Welt durchgeführt – seinerzeit gegen viel Widerstand - , doch die orthodoxen Länder, darunter ûthiopien, sind dem nicht gefolgt. Während aber z.B. Russland dann eine »gemäßigte« Kalenderreform einführte, sodass dort der julianische Kalender »nur« 13 Tage hinter dem gregorianischen hinterherhinkt, sind das in ûthiopien inzwischen halt 7 Jahre. Dazu hat jeder Monat schlicht nur 30 Tage, wie bei der Zinsberechnung der Banken in Deutschland. Da aber auch in ûthiopien das Jahr 365 und manchmal 366 Tage hat, so gibt’s der Einfachheit halber einfach einen 13. Monat, der nur 5 Tage hat, im Schaltjahr 6 Tage. Das Jahr endet dann nach diesem 13. Monat. Aber nicht am 31.12., sondern der August ist der 12. Monat. Der äthiopische 30. August ist folglich »unser« 5. September. Dann folgt der 13. Monat und dem der 1. September. Das ist bei uns im Westen der 11. September, mein Rückflugtag. Genau dann ist also in ûthiopien Neujahr. Ich »lande« als demnächst in einer ganz aufregenden Jahreszeit in ûthiopien...

2.19 Addis Abeba

Montagabend, 29. August 2011
Mit einer Stunde Verspätung landen wir am späteren Abend in Addis. Gegenüber unserer Sommerzeit eine Stunde Zeitverschiebung. Die Visabeantragung und die Zollabfertigung ist ganz unkompliziert. Die Gepäckausgabe ebenfalls: Ganze drei Gepäckstücke liegen auf dem Band, das zweite war mein Rucksack. Offenbar hatten alle anderen in dem vollbesetzten Flugzeug ein anderes Reiseziel. Der Bole-Flughafen ist eine große Verkehrsdrehscheibe...

Draussen werde ich schon erwartet und wir fahren rasch in den Trubel der Millionenstadt im abessinischen Hochland (http://de.wikipedia.org/wiki/Hochland_von_Abessinien). Die meisten Strassenschilder kann ich nicht lesen. ûthiopien hat nicht nur eine uralte Kultur, sondern auch eine eigene Schrift (http://de.wikipedia.org/wiki/ûthiopische_Schrift). Die wichtigste Sprache ist amarigh. Zwar sind in der Innenstadt viele Schilder auch auf englisch, aber nicht in den Außenbezirken und schon gar nicht bei den vielen kleinen Geschäften...

lese weiter…

Briefe aus dem Kongo, Teil II


Geändert am 15.09.2011 14:17 von Jugendserver Niedersachsen

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